Augenblicke

Fantastische Figuren in einer realen Welt

Mein Vater im Winter, 1983, Privatbesitz Arik Brauer.
Mein Vater im Winter, 1983, Privatbesitz Arik Brauer.(c) Arik Brauer (Arik Brauer)
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Er weist den Weg ins verlorene Paradies, meint sein Freund Friedensreich Hundertwasser. Arik Brauer ist vital und vielseitig wie kein anderer: Ein 91-jähriger, unbequemer Überlebens- und Universalkünstler, der keines seiner Talente vergeudet.

Es ist ein Panoptikum fantastischer, aber auch realistischer Figuren. Skurrile Geschöpfe aus Ottakring, „wo das Leben sein wahres Gesicht zeigt“, prägen Arik Brauers Kindheit. Sie beleben seine Träume und nähren seine Fantasie. Später malt und besingt er die Menschen, die in seinem Haus wohnen, „Gestalten aus Brueghel-Bildern“. Manche könnten auch von Manfred Deix stammen.

Wie der Huadongel. Er sammelt alte Hüte, setzt einen über den anderen auf und balanciert immer den meterhohen Hutturm. Oder die Frau Wallner. Sie führt ihre vier Meerschweinchen an sonnigen Tagen in einem Kinderwagen im Park spazieren. Leider hat sie Schwierigkeiten mit der Blase und verbreitet gemeinsam mit ihren Haustieren unglaublichen Gestank. Für die Kinder des Zinshauses am Ludo-Hartmann-Platz gilt es als Mutprobe, an ihr vorbeizugehen.

Oder Spiritus, der Mann mit Holzbein, der im Keller wohnt und reinen Spiritus trinkt. Oder die Frau Schimak. Eine witzige Witwe, die in ihrem winzigen Kabinett ein Biotop aus Nachttöpfen und alten Regenschirmen baut. Und die Nachbarin, die Brauer das Leben rettet: Eine überzeugte Antisemitin, die den Judenbuam im Klo am Gang versteckt, als SA-Offiziere die Werkstatt des Vaters plündern. Als der Bub sein Versteck verlässt, hört er die Alte brummen: „Judengsindl, schleicht´s euch nach Palästina!“

Erich (Arik wird er erst später von seiner Frau Naomi, einer in Israel geborenen Jemenitin, deren Vater Theodor Herzls Kutscher in Palästina war, genannt) kommt 1929 – mitten im kältesten Winter des vergangenen Jahrhunderts – als Sohn eines orthopädischen Schusters zur Welt. In seiner Werkstatt summt er russische und jiddische Lieder. Bald verbringt der Bub viele Stunden zeichnend beim Vater. Dem jüdischen Handwerker gelingt die Flucht in die alte Heimat, aber er stirbt in einem Konzentrationslager in Riga.

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