Am Herd

Über meinen Mann

Immer redet er einen Tick zu viel, lacht zu laut, und dann verwickelt er auch noch wildfremde Menschen ins Gespräch. Und sie lieben es!

Manchmal tu ich so, als gehörte ich nicht dazu. Als wäre ich nur zufällig mit meinem Mann unterwegs. Ich schaue mich im Tiefkühlregal um, wenn er der Frau von der Feinkost erklärt, wie super die Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße ist und dass es eh zu viele Autos in der Stadt gibt. Ich gehe schon einmal vor ins Foyer, während er mit einem anderen Theaterbesucher, den er gerade an der Garderobe kennengelernt hat, über das Stück fachsimpelt. Und ich schaue unbeteiligt drein, wenn er auf der Straße einen entfernt Bekannten grüßt, als sei es sein lang vermisster bester Freund. Das heißt: Unbeteiligt bleibe ich nicht lang, meistens sagt Stephan so etwas wie: „Total erholt schaust du aus! Bettina, schaut er nicht total erholt aus?“ Und ich nicke vorsichtig, woher soll ich das wissen, ich kann mich ja nicht einmal an ihn erinnern.

So ist mein Mann. Immer einen Tick zu laut, immer zu gesprächig und immer an jedem Menschen interessiert, der ihm gerade über den Weg läuft, der mit ihm in der Schlange steht oder im gleichen Bus sitzt. Am Abend erzählt er mir dann ausführlich, was er heute wieder alles erfahren hat: Dass der rumänische Bettler, der immer bei der U-Bahn steht, einen Herzinfarkt hatte und die Galeristin in der Gasse Besuch von ihrer Volksschulfreundin bekommt. Und der Steuerberater, der hat ja zwei Kinder, eins 14, eins zwölf. Der Ältere ist gerade für ein Jahr in Japan!


Signora!!! Und so fliegen ihm die Herzen zu, hier und überall. Wenn er in unserem Lieblingsstädtchen am Meer durch die Gassen geht, nur mit Badehose und einem Strandtuch bekleidet, das er sich wie eine Toga um den nackten Oberkörper gewickelt hat, schaut keiner scheel, der Obstverkäufer ruft ihm zu, er soll für ihn eine Runde mitschwimmen, die Besitzerin der Boutique entbietet ihm ein beherztes „Ciao“, und sogar die alte Frau, die immer für die Bar ums Eck Minzblätter von den Stängeln pflückt, ist mit ihm versöhnt: „Signora“, hat er gerufen und auf seine Turnschuhe gezeigt: „Signora!“ Und sie lächelt, weil er auf sie gehört hat und nicht mehr barfuß geht.

Noch nie habe ich es geschafft, dieser Frau ein Lächeln zu entlocken! Und das, obwohl ich immer Sandalen trage und genauso immer freundlich grüße. Man sieht, manchmal bin ich ein bisschen eifersüchtig. Und manchmal nutze ich Stephan auch aus und bitte ihn zum Beispiel, für mich beim HNO-Arzt anzurufen, der eine ungemein ruppige Sprechstundenhilfe hat, ein wahrer Drachen. Und natürlich, er bekommt sofort einen Termin für mich, ich soll doch einfach schnell vorbeikommen, lässt sie ausrichten.

Und als ich ihr dann die E-Card überreiche, ist sie richtig nett zu mir. ?

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.02.2020)

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