„Heile mich“

Die Liebe, der Egoismus und ein toter Kater

„Heile mich“ von Martin Gruber zeigt im Werk X in Meidling das Elend einer narzisstischen Gesellschaft.

Das Getratsche geht bereits los, ehe die Schauspielerinnen (deren Vornamen mit denen der Figuren identisch sind) auf die fast leere Bühne kommen. Von einem Badeunfall ist aus dem Off die Rede, vom Genesen, dann spricht Isabella (Jeschke) über ihre Verliebtheit in den Schlagzeuger David. Sie zeigt dem Publikum ein Foto auf dem Smartphone und nähert sich auch der Band im Hintergrund der Bühne. Es sind die Dun Field Three aus Wien, ergänzt durch zwei apathische, minimal tanzende Darsteller, die gelegentlich auch mitsingen – das ist rockig, punkig und klingt zuweilen wie eine Ballade.

Diese Einlagen sind raffiniert choreografiert. Zumeist aber heischt ein schräges Frauentrio, das der Commedia dell'Arte entsprungen sein könnte, um Aufmerksamkeit. Es trägt eigenartige Konflikte aus. Kirstin (Schwab), die angibt, aus besseren Kreisen als die beiden anderen zu sein, welche eher zum Prekariat gehören, will sich offenbar zwischen die Beziehung von Isabella und Susanne (Brandt) drängen. Sie geht weit in der Entblößung. Nackt steht sie einmal da, ist entschlossener als die melancholische Susanne oder die irre Isabella neben ihr.

Eichhörnchen und Esoterik

Worüber reden die drei in der Inszenierung Martin Grubers, der mit dem Aktionstheater nach der Uraufführung im Dornbirner Spielboden eben in Wien im Werk X zu Gast war? Über Eichhörnchen, Esoterisches, vor allem über sich selbst – Einsame, die sich nach Beziehungen sehnen. Und Grubers Text? Der wirkt zwar total platt, ist jedoch ein kunstvolles Imitat von Alltagssprache. Manchmal klingen seine Versprechen von Erlösung wie die leeren Phrasen von Populisten.

Die lustvoll individuellen Darstellerinnen ringen mit beiläufigen Sätzen. Wer könnte sich nicht hineinversetzen in solche Sprechblasen, hinter denen so viel Drang nach Anerkennung steckt? Und da ist auch noch eine Schuld zu bewältigen. Isabella hätte in Susannes Wohnung auf deren Kater Ferdi aufpassen sollen. Sie habe ihn aber verhungern lassen, weil sie zu David gezogen sei, klagt Susanne. In solchen Momenten ist dieses knapp 70 Minuten lange Kammerspiel eine Tragödie. Nur fehlen den so menschlichen, hilflosen Figuren dazu die Worte. Ratlos macht die Trauer, also spielt man ein Lied für Ferdi: Die Zukunft ist bereits vorbei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2020)

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