Nach der Kommunalwahl in Niederösterreich behauptet Jürgen Wahl, Chef einer Bürgerliste in Amstetten, von der ÖVP Geld für Anti-SPÖ-Postings auf Facebook erhalten zu haben.
Jürgen Wahl, Chef einer Liste, die bei der Kommunalwahl in Amstetten am 26. Jänner den Einzug in den Gemeinderat verpasst hat, erhebt schwere Vorwürfe gegen die ÖVP. Die wohl künftige Bürgermeister-Partei in der Stadt habe ihn bezahlt, damit er auf seiner - mittlerweile geschlossenen - Facebook-Seite Stimmung gegen die SPÖ mache, berichtete die „NÖN“ am Montag. Die ÖVP dementiert.
Wahls Behauptungen seien unwahr, teilte die ÖVP Amstetten auf Anfrage mit. Ein Rechtsanwalt sei eingeschaltet, um die Vorwürfe zu prüfen.
Den „NÖN“ zufolge hat Wahl die Facebook-Seite "Muss das sein, liebes Amstetten" noch am Wahlabend geschlossen. Er behaupte, "monatlich einen dreistelligen Geldbetrag erhalten" zu haben, um Stimmung gegen die SPÖ zu machen. Im Wahlkampf seien manche Postings auf "Muss das sein, liebes Amstetten" sogar direkt von der ÖVP gekommen. "Ich habe viele dicke Ordner mit Beweisen zu Hause. Ich kann das alles belegen", wurde Wahl in dem Bericht zitiert.
SPÖ ortet Skandal: „Fall für Staatsanwalt“
Sollten die Vorwürfe Wahls stimmen, "ist das ein Polit-Skandal, der sich gewaschen hat", sagte am Montag Rupert Dworak (SPÖ), Präsident der sozialdemokratischen Gemeindevertreter in Niederösterreich. Es sei bekannt, dass sich die Landes- und die Stadt-ÖVP im Vorfeld der Gemeinderatswahl in Amstetten "besonders engagiert haben, um die Bezirkshauptstadt zu gewinnen".
"Aber das, was jetzt Jürgen Wahl öffentlich geschildert hat, geht über alle akzeptablen Mittel weit hinaus", meinte Dworak. "Das wäre nicht nur extrem unsauber und unmoralisch, sondern schlicht ein Fall für den Staatsanwalt." Wahl solle seine Beweise auf den Tisch legen. Die Amstettener Stadt-ÖVP und die Landes-ÖVP forderte Dworak gleichzeitig auf, "klar Stellung zu beziehen".
Aufklärung verlangte am Montag auch die Bundes-SPÖ. Geschäftsführer Christian Deutsch sieht in dem Vorfall nur die Spitze des Eisbergs". Er richtete die Aufforderung an ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, "unverzüglich zu den Dirty-Campaigning-Vorwürfen Stellung zu beziehen".
"Der Erfolg der Volkspartei in Amstetten bei der Gemeindewahl hat anscheinend einige Neider geweckt", konterte ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner, der am Montag die "Vorwürfe des Dirty Campaignings in Amstetten" entschieden zurückwies. Die Behauptungen Wahls seien unwahr und würden durch einen Rechtsanwalt geprüft, betonte Ebner. Gleichlautend hatte sich zuvor bereits die ÖVP Amstetten geäußert.
Heißt umkämpfte Bezirkshauptstadt
Amstetten, lange SPÖ-Hochburg, wurde bei der Kommunalwahl am 26. Jänner von der ÖVP erobert. Die Volkspartei legte um 18,38 Prozentpunkte auf 42,98 Prozent zu. Die SPÖ fuhr in der Bezirksstadt im Westen Niederösterreichs ein Minus von 9,25 Prozentpunkten ein. Sie erreichte nur mehr 37,20 Prozent oder 16 Sitze (minus vier) im Rathaus. Die Sozialdemokraten teilten am Montag mit, sich personell neu aufzustellen; Rainer Spenger wurde von den Gremien der Stadtpartei zum Vorsitzenden sowie zum Vizebürgermeisterkandidaten designiert. In beiden Funktionen wird der 50-Jährige Margarete Sitz nachfolgen. Sitz hatte den Parteivorsitz und das Vizebürgermeister-Amt Anfang November 2018 von Horst Karas übernommen.
In Amstetten waren neun Listen – so viele wie in keiner anderen Kommune – bei der Gemeinderatswahl angetreten. Wahl erreichte mit seiner "Liste Wahl" 130 Stimmen oder 1,12 Prozent. Ein Mandat wurde damit verpasst, auf die Wahlzahl fehlten 129 Stimmen. Andere Mitglieder der Liste Wahls distanzierten sich am Montag von den Aussagen des Listengründers. In einem E-Mail stellten sie klar, dass sie von den von Wahl beschriebenen Vorgängen nichts gewusst hätten und „Jürgen Wahl rein für sich spricht“. Der Volkspartei in Amstetten sei jedenfalls zu gratulieren: Sie habe einen „perfekten Wahlkampf“ geführt.
(APA/Red.)