Parteigeschichte

Historiker kritisieren den FPÖ-Historikerbericht

PK 'WISSENSCHAFTLICHE BEWERTUNGEN DES BERICHTS DER FPOe-HISTORIKERKOMMISSION': RATHKOLB / REITER / BAUMGARTNER
PK 'WISSENSCHAFTLICHE BEWERTUNGEN DES BERICHTS DER FPOe-HISTORIKERKOMMISSION': RATHKOLB / REITER / BAUMGARTNERAPA/HELMUT FOHRINGER
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Prominente Wissenschaftler bemängeln große Lücken in der Aufarbeitung freiheitlicher Geschichte: Ideologische Kontinuitäten zur NS-Zeit würden ebenso fehlen wie aktuelle Verbindungen zum Rechtsextremismus.

Wien. Eigentlich hätte die FPÖ ihren Historikerbericht in einer Diskussionsveranstaltung mit Wissenschaftlern veröffentlichen wollen, die ihr kritisch gegenüberstehen. Diese haben damals geschlossen abgelehnt – um nun ihre Bewertung des FPÖ-Papiers öffentlich zu präsentieren. Und die fällt vernichtend aus: Mangelnde Seriosität wird dem Kommissionsbericht ebenso vorgeworfen wie „glatte Themenverfehlung“.

Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte an der Universität Wien, hält schon den Begriff „Historikerkommission“ für verfehlt: Es sei eben keine Kommission am Werk gewesen, die gemeinsam Fragestellungen erarbeitet hätte, der Bericht sei vielmehr „ein Sammelsurium an Einzelmeinungen“. Viele wichtige Themen würden überhaupt nicht behandelt, so die Rolle der Burschenschaften, die ja der eigentliche Anlassfall für die Erstellung des Berichts waren. Auch das Thema „Identitäre“ komme nicht vor.

Die Salzburger Historikerin Margit Reiter, die selbst Arbeiten zur Geschichte der FPÖ verfasst hat, sieht ebenfalls große Lücken in dem Bericht. Die NSDAP-Vergangenheit von Funktionären des VdU werde zwar in „biografischen Skizzen“ erwähnt, nicht aber werde auf deren eigentliche Rolle im Nationalsozialismus sowie deren Gesinnung nach Kriegsende eingegangen. Aktuelle wissenschaftliche Publikationen gebe es dabei genug, betonte sie. Auch die Legende vom Gründungsvater der FPÖ, Anton Reinthaller, als „guter Nazi“ werde reproduziert.

Die jüngere Geschichte der FPÖ werde in dem Bericht gar nicht beleuchtet, finden die Historiker. So könne man nichts zur Einstellung der einstigen FPÖ-Chefs Friedrich Peter und Jörg Haider zum Nationalsozialismus lesen. Ebenso wenig über die Kontakte, die Heinz-Christian Strache in jungen Jahren zur Neonazi-Szene gehabt hat. Völlig negiert werde zudem der aus der völkischen Tradition stammende und nach 1945 im Wesentlichen ungebrochene Antisemitismus.

Als „ziemlich oberflächliche Arbeit“ qualifiziert auch Gerhard Baumgartner, Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW), den FPÖ-Historikerbericht. So habe es oft den Anschein, die österreichische illegale NSDAP werde als „Volkstanzgruppe mit weißen Strümpfen“ wahrgenommen, aber „es war eine Terrorgruppe“. Sein Resümee: „Dieser Bericht ist eigentlich ein Psychogramm eines Teils der heutigen Führung der FPÖ.“

Verfahren eingestellt

Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft Wien ihre Ermittlungen gegen den einstigen Mitarbeiter von Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), Herwig Götschober, eingestellt. Götschober war Obmann der Burschenschaft Bruna Sudetia, bei der ein Liederbuch mit antisemitischen Texten vermutet worden war. (maf)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2020)

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