Gastkommentar

Fragwürdiger Aktivismus

(c) Peter Kufner
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Für das Wiederaufflammen des Antisemitismus ist nicht die BDS-Bewegung verantwortlich, wie der Nationalrat impliziert.

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Mitte Dezember 2019 reichten Vertreter aller im Nationalrat vertretenen Parteien einen Entschließungsantrag ein, der die BDS-Bewegung (BDS = Boykott, Desinvestment and Sanctions) aufgrund angeblichen Antisemitismusverhaltens verurteilen soll.

Dass die FPÖ diesen fragwürdigen Antrag unterstützte, ist angesichts ihres Bemühens, dem Antisemitismusvorwurf zu entkommen, nicht verwunderlich. Verwunderlich ist aber, dass SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos, die für Werte wie Meinungsfreiheit, Demokratie und Menschenrechte einstehen, einen Entschließungsantrag stellen, der die BDS-Bewegung nicht nur zur Unrecht verurteilt, sondern auch einem Staat eine bedingungslose Zustimmung erteilt, der seit Jahrzehnten ein anderes Volk unterdrückt und ständig das Völkerrecht missachtet.

Antisemitismus ist ein europäisches Phänomen, hat dort seine Wurzeln. Die Verfolgung der Juden fand ihren Höhepunkt in Deutschland und Österreich mit dem Holocaust. Darüber hinaus ist der Antisemitismus bis heute in Europa präsent, Tendenz ist steigend. Es ist daher die Aufgabe und Pflicht aller demokratischen Kräfte, ihn energisch zu bekämpfen.

Im Gegensatz zu Europa existierte in Palästina kein Antisemitismus. Dort lebten jüdische, muslimische und christliche Palästinenser friedlich miteinander, erst der zionistische Keil spaltete sie. Der Kampf gegen Antisemitismus darf folglich nicht als Alibi benutzt werden, um die Besatzungs- und Kolonialpolitik des Staates Israel zu rechtfertigen und zu verteidigen.

Friedlicher Widerstand

Die BDS-Bewegung ist eine weltweite Bewegung, die sich für ein Ende der Besatzung einsetzt. Für diesen friedlichen Widerstand nutzt sie Instrumente des Boykotts, der Desinvestition und der Sanktionen. Es sind Instrumente, die gewaltlos und legitim sind.

Als der deutsche Bundestag einen ähnlichen Antrag 2019 angenommen hatte, forderten fünf UNO-Experten die Bundesregierung in einem Brief auf zu erklären, wie dieser im Einklang mit Deutschlands internationaler Verpflichtung steht, die Meinungsfreiheit zu schützen. Diese Frage sollte auch österreichischen Abgeordneten gestellt werden. Einen antisemitischen Beweis sieht zudem der Entschließungsantrag in der Forderung, dass alle seit 1948 vertriebenen Palästinenser und Palästinenserinnen in ihre Heimat zurückkehren können. Dies ist allerdings auch eine Forderung der Vereinten Nationen, festgehalten in der 1948 verabschiedeten UN-Resolution 194.

Die weltweit agierende BDS-Bewegung ist für das Wiederaufflammen des Antisemitismus nicht verantwortlich. Wer in Österreich ernsthaft Antisemitismus bekämpfen will, sollte sich Gedanken machen, wie man mit Kräften umgeht, die deutschnationalistische Parolen verbreiten und identitäres Gedankengut propagieren.

Zugleich konterkariert der Antrag auch das demokratische Verständnis der Parteien. Meinungsäußerung und das Üben von Kritik werden willkürlich eingeschränkt. Somit kann der Entschließungsantrag ein Präzedenzfall für weitere Schranken innerhalb der Meinungsfreiheit werden.

Botschafter Salah Abdel Shafi leitet die palästinensische Vertretung in Österreich und Slowenien und die ständige Beobachtermission bei den VN und den in Wien angesiedelten internationalen Organisationen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2020)

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