Gastkommentar

Zwangsmaßnahmen im modernen Familienrecht

Österreichs Familienrecht hat das Kindeswohl nicht wirklich verbessert.

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Da im Lauf der Zeit die Zahl der psychosozialen Vereine, Institutionen und Beratungsstellen stetig zugenommen hat, die zusätzlich zu den staatlichen Förderungen auch noch ihr berufliches Auslangen finden müssen, wurden diese kurzerhand in das Justizwesen integriert und somit auch eine rege Beschäftigungspolitik betrieben.

Mit Einführung der „psychosozialen Fachabteilungen“ – wie Familiengerichtshilfe, Besuchsmittler, Kinderbeistände usw. – als Teile der Justiz wurde den Richtern die Möglichkeit eröffnet, Zwangsmaßnahmen gegenüber den Betroffenen zu verfügen, die diesen allerdings nahezu ohnmächtig ausgeliefert sind.

Aufgrund der flexiblen gesetzlichen Formulierungen für diesen Bereich können sich die Betroffenen kaum gegen die richterlich aufgezwungenen Maßnahmen wehren. Sie sind dadurch den psychosozialen Fachabteilungen ausgeliefert, die ihnen sogar die Mitnahme einer persönlichen Vertrauensperson ohne eine rechtliche Grundlage verwehren können. Das ist eine Vorgehensweise, die eigentlich aus autoritären Systemen bekannt ist und von den Menschenrechtsorganisationen deshalb auch immer wieder angeprangert wird.

Keine Protokollüberprüfung

Die Mitarbeiter sind sich als Teil der Justiz ihrer Macht sehr wohl bewusst. So bestimmen sie beispielsweise selbst, was sie mitprotokollieren – und die Betroffenen haben keine Möglichkeit, das Protokoll zu überprüfen.

Erschwerend kommt noch hinzu, dass sie zusätzlich an den fallführenden Richter weisungsgebunden sind. Richter haben unter anderem die Möglichkeit, gegen den Willen der Parteien in Verfahren für Monate innezuhalten, wenn zum Beispiel die Besuchsmittler angeblich eine – wenn auch nur abstrakte – Möglichkeit sehen, in fünf Monaten eine Gesprächsbasis zwischen den Kindeseltern zu erzielen. Danach bestimmen die Besuchsmittler über eine weitere Verlängerung auf Kosten der Kindeseltern.

Postenbeschaffung funktioniert

Diese gerichtlichen Zwangsmaßnahmen wurden per definitionem im angeblichen Interesse des viel strapazierten Begriffs des Kindeswohls eingeführt. Tatsächlich bewirken sie jedoch aufgrund der massiven Verzögerungen, der annähernden Unmöglichkeit, sich dagegen zu wehren, und der hohen Kosten für die Parteien das genaue Gegenteil für die betroffenen Kinder. Allein die Postenbeschaffung funktioniert perfekt!

Für die betroffenen Rechtsuchenden hat sich die Situation in den Verfahren dadurch weiter verschlechtert. Die Verfahrenskosten werden so noch mehr in die Höhe getrieben, und die Dauer der Verfahren wird unnötig verlängert.

Die kolportierten guten Ergebnisse beruhen laut Aussagen vieler Betroffener – keinesfalls Einzelfälle – darauf, dass man aus finanziellen Gründen gezwungen wurde, das Verfahren ohne Rücksicht auf das Kindeswohl zu beenden.

Die offizielle Stimme der Justiz verteidigt das eingeführte Konzept, während die internen Kritiker aber immer mehr werden, die ihre Meinung jedoch nur hinter vorgehaltener Hand kundtun.

Es wäre daher dringend angebracht, die Betroffenen durch gerichtlich verfügte psychosoziale Zwangsmaßnahmen nicht weiter zu entrechten und die für die Fachabteilungen erforderlichen enormen Geldmittel nicht in die psychosoziale Industrie zu investieren. Vielmehr sollten diese Mittel im Kernbereich der Justiz optimal eingesetzt werden, damit effiziente Verfahrensabläufe zum Wohle der Kinder tatsächlich gewährleistet sind.

Margreth Tews ist Lebens- und
Sozialberaterin, Coach und Mediatorin
mit Spezialisierung Familienrecht.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2020)

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