Landestheater Niederösterreich

Fasching mit Figaro und kühnen Frisuren

Der deutsche Regisseur Philipp Moschitz verhedderte sich in einer Mozart-Oper. Das Ensemble reißt ihn heraus, teilweise. Die Aufführung ist halblustig und zu wenig frech.

Die Figuren tragen tolle Tollen, Frisiermäntelchen und Sporthosen, dem Regisseur standen bei der Schlussverbeugung die Haare zu Berge und vielleicht auch manchem Mozart-Fan. Philipp Moschitz inszenierte „Figaros Hochzeit (aber nicht die Oper!)“ im Landestheater Niederösterreich. Die Aufführung beginnt mit Tableaux vivants, der rote Vorhang geht sehr oft auf und zu.

Figaro trällert bewusst falsch die berühmte Arie vom Grafen, der lieber kein Tänzchen mit seinem Diener wagen sollte. Der Graf wiederum stampft den Song „Boombastic“ des Jamaikaners Shaggy und singt, was wirklich amüsant und verblüffend ist, die Rache-Arie der Königin der Nacht aus der „Zauberflöte“, die Koloratur als Bass.

Kein Zweifel, es steckt viel Arbeit in diesem allzu sehr vermischten Abend, den ein wackeres Ensemble durch alle Befremdlichkeiten und lauen Kalauer durchzieht. Die meisten guten Momente hat Andreas Thiele als Cherubin und Antonio, der Gärtner, dessen Blumen zertrampelt werden. Der liebestolle Bub („Er hat ein Glück, es g'fallt ihm eine jede“, hätte man früher gesagt) ist auch in der Oper eine der dankbarsten Rollen. Um diese zu durchschauen, mögen sich Interessenten Claus Guths Inszenierung (mit Anna Netrebko) 2006 bei den Salzburger Festspielen anschauen, Nikolaus Harnoncourt dirigierte, die Aufführung ist in voller Länge auf YouTube zu erleben. Sie erzählt alles über entgeisterte, materiell oder sexuell abhängige Menschen, die – neben der herrlichen Musik – an diesem „Tollen Tag“, wie die originale Komödie von Beaumarchais heißt, wundersam ergreifen.

Verblödelte Konflikte

Beaumarchais geißelte die Aristokratie im vorrevolutionären Frankreich. Was Moschitz in St. Pölten im Sinn hatte, bleibt unklar. Frech hätte er sein können, das war er nicht. Stattdessen war ihm offenkundig fad mit der Oper, weil seine Geschöpfe ständig betonen, dass jetzt gleich etwas weitergeht. Das Ensemble des Landestheaters studierte brav und exakt jeden Unsinn ein, die Schauspieler klemmen in Betten, fahren wie Marionetten aus der Tiefe, spielen, singen, verschlingen sich affektiert ineinander. Michael Scherff zündet verlässlich, aber nicht routiniert seine Pointen als Graf Almaviva. Offensichtlich macht ihm der Klamauk Spaß.

Sogar eine echte Richterin aus dem Publikum durfte bei der Premiere auf die Bühne, einmal singen alle Zuschauer, angeleitet von der Gräfin (Katharina Haindl hat eine schöne Stimme). Boris Fiala gibt Marcellina als maskuline Matrone, Marthe Lola Deutschmann spielt die listige Zofe Susanna, Tilman Rose den Figaro. In 90 Minuten ohne Pause ist dieser Faschingsscherz vorbei, ein Galopp durch Mozarts und Da Pontes vielleicht komplexestes Werk.

Die Oper mit ihrem Pathos lädt zur Parodie ein: Nestroy zog „Tannhäuser“ und „Lohengrin“ durch den sprichwörtlichen Kakao. Dieser „Figaro“ freilich ist ein Sammelsurium von Einfällen allzu unterschiedlicher Qualität, er erinnert an schlechte, weil zu grelle und manierierte Operninszenierungen. Die Überführung der Musiktheater-Parodie in die Comedy war zwar wohl angedacht, funktioniert aber nicht wirklich – und die im Original anklingende Gesellschaftskritik (etwa am Recht des Herrschers auf die erste Nacht) wirkt hier nur lächerlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2020)

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