Paul Krugman: "Sie hassen mich"

Paul Krugman
Paul Krugman(c) AP (Lai Seng Sin)
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Offener Schlagabtausch der Ökonomen. Nachdem ihn der deutsche Wirtschaftsweise Werner Franz kritisiert hat, legt US-Starökonom Paul Krugman nach: Europa drohe eine "grauenvolle Zukunft".

Nach seiner Kritik an der Sparpolitik der Europäer (DiePresse.com berichtete) gerät US-Ökonom Paul Krugman nun selbst unter Beschuss. Wolfgang Franz, Leiter der deutschen "Wirtschaftsweisen", fragt Krugman in einem offenen Brief im "Handelsblatt" provokativ: "Wie wäre es mit Fakten, Herr Krugman?". Franz kritisiert die "sachliche Unangemessenheit einschlägiger Standpauken aus den USA".

"Krugman schießt den Vogel ab"

Krugman schießt für ihn dabei den Vogel an Selbstsicherheit ab. Franz beklagt, dass Krugman die stabilitätsorientierten Vorschläge Europas als aus einer "Fantasiewelt" stammend abgetan, geldpolitische Empfehlungen der OECD als "verrückt" angeprangert, und den deutschen Bundesbankpräsidenten als "ein Risiko für das Schicksal des Euros" gebrandmarkt hatte. Zudem kritisiert Franz, dass Krugman "wahre Kolossalgemälde" von verheerenden Auswirkungen des Sparpakets der deutschen Bundesregierung malt.

Franz stellt ihm daher einige Gegenfragen:

  • Wo nahm denn die Finanzkrise ihren Anfang?
  • Welche Zentralbank hat denn eine viel zu expansive Geldpolitik betrieben?
  • Welches Land beschritt sozialpolitische Irrwege, indem einkommensschwache Haushalte mit Hypothekendarlehen beglückt wurden, die sie nie und nimmer abbezahlen konnten?
  • Wer hat denn im Jahr 2004 die Regulierungen zur Begrenzung des Schuldenhebels von Investmentbanken stark abgeschwächt und 2008 die Investmentbank Lehman Brothers zusammenbrechen lassen und damit den Gau auf den internationalen Finanzmärkten eingeleitet

Krugmans Credo ist klar: Die Welt brauche nicht weniger, sondern mehr schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme. "Die Deutschen und Franzosen hassen es, auch nur kurzfristig Defizite hinzunehmen, sie hassen eine lockere Geldpolitik, klammern sich an jeden Vorwand, um dagegen zu sein", sagte Krugman am Montag im "Handelsblatt"-Interview.

"Sie hassen mich"

Der Konter auf die Aussage des deutschen Wirtschaftsweisen kam prompt. "Sie hassen mich", beklagt Krugman in seinem "New York Times"-Blog "The Conscience of a Liberal". Die Deutschen würden immer noch glauben, dass die Finanzkrise ausschließlich in den USA entstanden sei, erklärt der Ökonom. "Die Wahrheit ist, dass die europäische Häuserblase genauso groß oder noch größer als die amerikanische ist - nicht in Deutschland, aber es waren deutsche Kapitalexporte, die die Blasen in Spanien und Irland gefüttert haben".

Und Krugman malt ein düsteres Bild für Europa: "Ja, die USA haben gesündigt, wie andere auch. Und die straffe Geldpolitik, die Axel Weber verordnen würde, wäre er Chef der EZB, wäre auch eine Sünde, und zwar eine, die Europa zu einer grauenvollen Zukunft aus Stagnation und Deflation verdammen würde."

(phu)

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