Gastkommentar

Warum unser Heer auch in Zukunft Panzer braucht

Es braucht beides: Reguläre Streitkräfte und technologischen Fähigkeiten.

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Das türkis-grüne Regierungsprogramm sieht vor, dass das österreichische Bundesheer, angepasst an „aktuelle Bedrohungslagen,“ sich in den nächsten Jahren verstärkt auf den Ausbau der Fähigkeiten zur Cyber- und Drohnenabwehr konzentriert. Schwere Waffengattungen – Artillerie, gepanzerte Fahrzeuge – werden laut Programm weiter reduziert, „Kernkompetenzen“ im Umgang mit einzelnen Waffensystemen sollen aber erhalten bleiben.

Auf den ersten Blick klingt das vernünftig: Ein Panzerangriff aus Ungarn oder Tschechien auf Österreich ist im Moment kaum zu erwarten. Vielmehr gilt es, „hybride Bedrohungen“ und „mit militärischen Mitteln ausgeführte Terrorangriffe“, sowie Attacken aus dem Cyberspace entgegenzuwirken. „Umfassende Landesverteidigung“ bedeutet also nicht mehr, dass das Bundesheer gegen hochgerüstete Streitkräfte eines anderen Landes in Europa eingesetzt werden muss.

Paradoxerweise aber macht gerade die Abrüstung schwerer Waffensysteme deren Einsatz und einen „konventionellen“ Schlagabtausch in den 2020er-Jahren wahrscheinlicher.
Drohnenangriffe, Cyberattacken, Desinformationskampagnen und der Einsatz von irregulären Truppen sind nämlich eine asymmetrische Antwort der „Schwachen“ – Ländern wie Russland und Iran – auf die militärische Übermacht der „Starken“. Gegner des Westens setzen auf die Entwicklung solcher Kapazitäten, um einen offenen, symmetrischen Krieg – Panzer gegen Panzer, Flugzeug gegen Flugzeug – zu vermeiden.

Drohnen enorm verwundbar

Sollte der Westen aber in diesen Kernkompetenzen Schwäche zeigen und sich hauptsächlich auf neue asymmetrische Bedrohungen konzentrieren, würde ein offener Konflikt wieder interessant für etwaige Gegenspieler, weil die dann denken könnten, dass sie eine symmetrische Auseinandersetzung gewinnen könnten. Denn mit Cyber- und Drohnenabwehr ist ein Panzerangriff schwer zurückzuschlagen. Gegen Panzer werden daher auch in zehn Jahren noch eigene Panzer und Panzerabwehrraketen das beste Mittel sein. Gleichzeitig werden Drohnen auch künftig enorm verwundbar bleiben.

Es geht um Abschreckung

Der Grundbaustein jeder militärischen Planung in den 2020er-Jahren muss deshalb weiter der Erhalt regulärer Streitkräfte sein. Nur wenn die militärischen Kernfähigkeiten abgesichert sind, macht es überhaupt Sinn, andere Kapazitäten aufzubauen. Schwere Waffensysteme haben also keineswegs ausgedient. So gesehen bauen Länder wie Österreich, die sich auf die Abwehr asymmetrischer Bedrohungen konzentrieren und schwere Waffensysteme vernachlässigen, ein Fass ohne Boden.

Um militärisch wirksam zu sein, benötigt man beides: reguläre Streitkräfte und Einheiten mit neuen technologischen Fähigkeiten. Nur durch ihr Zusammenwirken kann man effektiv einen potenziellen Aggressor abschrecken.

Viele Österreicher mögen das als plumpe Kriegsspielerei abtun; eine Geldverschwendung, weil die neuen Waffen wahrscheinlich nie zum Einsatz kommen. Das Ziel jeder nachhaltigen Verteidigungspolitik und Streitkräftereform ist jedoch genau das: nicht Kriegsspielen, sondern eine militärische Konfrontation durch „Abschreckung“ vermeiden. So abwegig es klingt: Investitionen in schwere Waffen erhöhen die Chance, dass diese nicht eingesetzt werden, weil sie ein größeres Abschreckungspotenzial gegenüber Aggressoren haben als andere Waffensysteme. Deshalb ist ihre Reduktion oder Abschaffung nicht ratsam und verteidigungspolitisch langfristig sogar gefährlich.

DER AUTOR

Franz-Stefan Gady (* 1982) ist Politikberater und Publizist. Er forscht über außen- und sicherheitspolitischen Themen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2020)

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