Lokalkritik

Testessen in der Wohnküche

Architekturbüro JOSEP
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„Dein Lokal in 1200" lautet der Beiname ihrer „Wohnküche" ums Eck vom Gaußplatz im 20. Wiener Bezirk. Andreas Brunner und Corina Huber brachten ein altes Eckbeisl auf Vordermann.

An der Wand neben der Eingangstür hängen Keith Richards und Frida Kahlo traut nebeneinander, in der offenen Küche werkt Andreas Brunner, an der Schank daneben Corina Huber. „Dein Lokal in 1200" lautet der Beiname ihrer „Wohnküche" ums Eck vom Gaußplatz im 20. Wiener Bezirk – ebenso gut könnte es angesichts des denkbar kleinen Teams „unser Lokal" heißen.

Die beiden haben auch schon im Anfang 2018 in Konkurs gegangenen G’schupften Ferdl zusammengearbeitet (wo jetzt das Lokal Bruder ist). Ohne Reservierung scheint es in der Wohnküche selbst Monate nach der Eröffnung schwer, einen Platz zu bekommen. Kein Wunder, sind doch Lokale dieser sauberen, zeitgemäßen Art im Zwanzigsten rar, und zum hellsten Brigittenauer Stern, dem fantastischen, zweifach michelinfunkelnden Mraz & Sohn, geht man eben nicht alle Tage.

Ein altes Eckbeisl wurde auf geradlinige Art auf Vordermann gebracht, lokalprägend die vertikal angelegte Schankvertäfelung, die mattschwarzen Tische und die Vintage-Holzsessel. Die Speisekarte ist, passend zur Ein-Mann-Besetzung, von vernünftiger Größe. Geschmackssache sind freilich die Schreibweise der Preise („einundzwanzig.achtzig") sowie die Kategorien „kleines bäuchlein", „volles bäuchlein", „süßes bäuchlein". Wobei es manche Vorspeisen auch fürs große Siewissenjetztschon (jetzt tut dieses B-Wort schon irgendwie weh, nicht?) gibt.

Auf der Budel thront ein ­Riesenlaib Öfferl-Brot, von dem großzügig sauerteigsaftige Scheiben heruntergesäbelt werden, die dann auf dem Tellerrand einen Kontrast zu den aufmerksam angerichteten Gerichten bilden (dass es mitunter etwas dauern kann, ist verschmerzbar).

Couscous-Salat wird nicht wie sonst gern als kompakter Schöpfergupf auf den Teller geklatscht und mit einem Alibi-Petersilblatt behübscht, ­sondern kommt luftig-locker zu Tisch, bestreut mit einer Vielzahl an Kräutern, Granatapfelkernen und Pistazien, dazu kommt mariniertes Ofengemüse – sehr gut (7,20/11,80 Euro). Die geschmacklich erfreuliche Karotten-Crème-brûlée (8,80) müsste stichfester sein, um nicht mit Karottenpüree verwechselt zu werden, die Kruste wie überall splittriger.

Köstlich der Rindfleischsalat aus schmeckbar bester Ware mit eingelegten roten Zwiebeln und viel Kürbiskernöl (9,80/14,80), gelungenes Wohnzimmer-Soulfood auch die knusprige Bio-Hendl-keule mit Chorizo-Erdäpfelröster und Miso-Karotten. Außerdem: Tegernseer vom Fass. Die ­Wetteraussichten für den Zwanzigsten: Sympathiepunkteregen.

Info

Wohnküche, Traunfelsgasse 1, 1200 Wien, Tel.: +43/(0)677/63 10 59 72, Restaurant: Di–Do: 17–24, Fr–Sa: 17–2 Uhr.

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("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 07.02.2020)

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