Gastkommentar

Politik soll nicht um Gesundheit pokern

Taiwan appelliert an die Staatengemeinschaft, seine Mitarbeit in der Weltgesundheitsorganisation zu ermöglichen.

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Während sich das neue Coronavirus stetig ausbreitet, wächst auch die Sorge, ob die Sars-Epidemie von 2003 wieder zurück ist. Aber es gibt noch ein anderes, dringlicheres Problem: Im globalen System zur Prävention von Epidemien klafft eine Lücke: Taiwan wird aufgrund politischer Interventionen von der Mitarbeit in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgeschlossen.

Am 31. Jänner rief die WHO aufgrund des neuen Coronavirus (2019-nCoV), das sich von der Millionenstadt Wuhan in der Volksrepublik China aus verbreitet, den internationalen Gesundheitsnotstand aus. Die WHO rief die medizinischen Institutionen weltweit auf, gemeinsam die Verbreitung der Epidemie aufzuhalten. Die Experten der jeweiligen Gebiete, in denen Krankheitsfälle bestätigt wurden, erhielten eine Einladung – außer Taiwan.

Während die Lage weltweit immer angespannter wird, wird Taiwan verweigert, eine Rolle bei der Verhinderung einer Epidemie zu spielen. Das stellt nicht nur für die Insel eine Gefahr dar, sondern bedeutet eine riesige Lücke für das weltweite Gesundheitssicherheitsnetz und die Kontrolle von Epidemien.

Zudem enerviert die unzutreffende Klassifizierung Taiwans als Teil der Volksrepublik China durch die WHO die 23 Millionen Taiwanesen. In der Berichterstattung der WHO über die bestätigten Infizierungen des 2019-nCoV wurden die aufgetretenen Fälle in Taiwan bei denen Chinas dargestellt – entgegen den Fakten.

Nichts aus Tragödien gelernt

Tatsächlich hat Taiwan bei der Abwehr von Epidemien große Erfolge vorzuweisen. Auch jetzt ist die Anzahl der bestätigten Erkrankungen in Taiwan nicht höher als in benachbarten Ländern.

Der Ausbruch von Sars 2003 kostete zahlreiche Taiwanesen das Leben. Dies bestätigt bereits, dass das Ausgrenzen Taiwans von der WHO eine Verletzung der Gesundheitsrechte des taiwanesischen Volkes darstellt und eine aus dem Ruder laufende Tragödie hervorrufen kann. Momentan bricht gerade die neue Wuhan-Lungenentzündung aus. China und die WHO haben aber nichts aus vergangenen Tragödien gelernt. Sie hindern Taiwan weiter aufgrund politischer Faktoren an der Mitarbeit bei der Abwehr von Epidemien.

Wie sich Lücke schließen lässt

Taiwan hat keine Möglichkeit, Informationen aus erster Hand zu erhalten und sich die Unterstützung der WHO zu sichern. In den nächsten Tagen werden einige Nationen – unter ihnen etliche EU-Mitgliedstaaten, Japan, die Vereinigten Staaten und Kanada – abermals an die WHO appellieren, Taiwan in das internationale Informationssystem für Epidemienprävention einzubinden, da globale Abwehrmaßnahmen sonst schwierig seien.
Taiwan ist kein Teil der Volksrepublik China. Es hat eine demokratisch gewählte Regierung und unterliegt nicht der Verwaltung der Regierung in Peking. Die taiwanesische und die chinesische Gesundheitsversorgung werden von zwei völlig unabhängigen und absolut getrennten Gesundheitssystemen gewährleistet. Taiwan appelliert abermals an die WHO, ihren gravierenden Fehler, Taiwan unter China zu kategorisieren, abzuändern und dem politischen Druck nicht nachzugeben.

Taiwan soll an den Fachtagungen der WHO zum Coronavirus teilnehmen können. Das in der Verfassung der WHO genannte Ziel, „allen Völkern zur Erreichung des bestmöglichen Gesundheitszustandes zu verhelfen“, soll endlich durch eine professionelle und neutrale Haltung gegenüber Taiwan erreicht werden. Nur so lässt sich die Lücke in der globalen Prävention von Epidemien schließen.

Vanessa Shih, Missionschefin des Taipei Wirtschafts- und Kulturbüros in Österreich.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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