Interview

Alexander Nitzberg: „Ich übersetze lieber politisch unkorrekt“

Man dürfe russisches Palaver nicht allzu wörtlich übersetzen, sagt Alexander Nitzberg.
Man dürfe russisches Palaver nicht allzu wörtlich übersetzen, sagt Alexander Nitzberg.Katharina F.-Roßboth
  • Drucken

Alexander Nitzberg erhält den Staatspreis für Übersetzung – mit der „Presse“ sprach er über Granaten im Hirn, das N-Wort in „Meister und Margarita“ und darüber, warum heutige Tschechow-Aufführungen ihn an Mangas erinnern.

Die Presse: Sie leben seit Jahren in Wien, verbrachten aber Ihre ersten zehn Jahre in Moskau, bevor Ihre Familie 1980 nach Deutschland ging. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre sowjetische Kindheit?

Alexander Nitzberg: Sie verlief zwischen Schule, Wohnung und dem Atelier meines Vaters. Er war Maler und Bildhauer und hat mit einem befreundeten Maler einen großen Keller mitten in Moskau gefunden, den haben sie einfach als Atelier genutzt. Da ging es sehr lebhaft zu, es war natürlich alles illegal. Wenn doch irgend ein Milizionär kam, hat man ihm Geld zugesteckt oder einen kleinen Wodka . . .

Ihr Vater war regimekritisch wie Ihre ganze Familie. Was hat er gemalt?

Nichts Systemkritisches, sondern etwa Stillleben, Porträts. Er hat sogar jahrelang an einer Lenin-Büste gearbeitet. Er hatte diesen Auftrag zugeschanzt bekommen, das wäre schnelles Geld gewesen, und mein Vater glaubte auch, dass er schnell damit fertig ist. Aber dann hat er mit seinem künstlerischen Auge auf diesen Kopf geschaut, er wollte den idealen Lenin-Kopf. Endlich war der Kopf fertig, Lenin, wie er leibt und lebt. Am nächsten Tag hat mein Vater gemerkt, dass was nicht stimmt. Also hat er ein Brett genommen, hat den noch weichen Kopf wieder platt gemacht und wieder von vorn begonnen. Das zog sich Monate, wenn nicht Jahre hin.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.