Leitartikel

Ein Thüringer Tabubruch als Symptom der Krise der Mitte

Thomas Kemmerich, Thüringens neu gewählter Ministerpräsident.
Thomas Kemmerich, Thüringens neu gewählter Ministerpräsident.imago images/STAR-MEDIA
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Die Wahl eines FDP-Mannes mit den Stimmen der AfD ist auch die Folge vieler unbeantworteter Richtungsfragen in der deutschen Bundespolitik.

Die Gesichter nach dem gelungenen politischen Coup sprachen Bände. Da der entthronte Ministerpräsident Bodo Ramelow von der Linken, der inmitten entgeisterter Parteifreunde sein Gesicht in den Händen zu verbergen versuchte, dort der neue Überraschungs-Landeschef Thomas Kemmerich von der kleinsten Fraktion im Landtag, der Mühe hatte, sein Pokerface gegen ein aufkommendes Lächeln zu halten. FDP-Mann Kemmerich war im dritten Wahlgang mit den Stimmen seiner Fraktion, der CDU und der AfD auf den Sessel des Regierungschefs gehievt und damit ein bis dahin geltender politischer Grundkonsens im politischen Deutschland gebrochen worden: keine Zusammenarbeit mit der rechtsextremen Alternative für Deutschland.

Schon seit der Landtagswahl in Thüringen mit einem politischen Patt als Ergebnis war die Situation verfahren. Noch am Wahltag plante CDU-Mann Mike Mohring mit dem beliebten Ramelow von der Linkspartei eine Zusammenarbeit auszutesten. Doch wollte die CDU-Zentrale in Berlin diesen Bruch der Roten-Socken-Doktrin nicht akzeptieren und pfiff Mohring öffentlichkeitswirksam und nicht gerade gesichtswahrend zurück. So konnte es auch kommen, dass alle Fraktionen am Mittwoch einen eigenen Kandidaten für die Position des Ministerpräsidenten aufgestellt hatten, nur ausgerechnet die CDU nicht. Diese versuchte schließlich auch, ihre Stimmen für FDP-Mann Kemmerich als Votum für die bürgerliche Mitte zu erklären. Mit mäßigem Erfolg. Denn wahrscheinlich schien, dass da mit der AfD Absprachen getroffen worden waren.

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