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Thüringen: FDP-Ministerpräsident Kemmerich gibt auf

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Mit Unterstützung der AfD wurde FDP-Politiker Kemmerich am Mittwoch zum Thüringer Landeschef gewählt. Kanzlerin Merkel sprach von einem „unverzeihlichen Vorgang“. Nun gibt die Partei dem Druck nach Neuwahlen nach.

Die überraschende Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten des deutschen Bundeslandes Thüringen mit den Stimmen der rechtspopulistischen AfD löste in Deutschland ein politisches Erdbeben aus. Nun zieht die FDP-Fraktion in Thüringen die Reißleine: Nach massivem Druck aus Berlin und der eigenen Partei will Kemmerich den Weg für eine Neuwahl des Landtages freimachen. „Der Rücktritt ist unumgänglich“, sagte er. Die FDP wolle die Selbstauflösung des Landtages beantragen.

Er trete zurück, um damit "den Makel der Unterstützung durch die AfD vom Amt des Ministerpräsidenten zu nehmen", sagte Kemmerich nach einem Krisengespräch mit FDP-Chef Christian Lindner in Erfurt. Die Umstände seiner Wahl ließen keine andere Möglichkeit, denn die AfD habe "mit einem perfiden Trick versucht, die Demokratie zu beschädigen".

Der 54-Jährige, dessen Partei im Herbst nur knapp den Sprung in den Thüringer Landtag geschafft hatte, war am Mittwoch mit Stimmen von Liberalen, CDU und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt worden. Er hatte sich nur knapp gegen den bisherigen Regierungschef Bodo Ramelow von den Linken durchgesetzt. Es war das erste Mal, dass die AfD einem Ministerpräsident ins Amt half.

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FDP-Bundeschef Lindner stellt Vertrauensfrage

Um die Auflösung zu beschließen, bedarf es aber einer Zwei-Drittel-Mehrheit. Um diese zu erreichen, müssten neben Linken, den Sozialdemokraten (SPD), Grünen und Liberalen (FDP) auch die Christdemokraten (CDU) oder die rechtspopulistische AfD dafür stimmen. Die CDU kündigte allerdings zuvor an, keine Neuwahlen unterstützen zu wollen.

Auch FDP-Bundeschef Christian Lindner will Konsequenzen ziehen und im Vorstand seiner Partei die Vertrauensfrage stellen. "Die Bundesführung muss neu legitimiert werden, ein Weiterso kann es da nicht geben", sagte Lindner. Kemmerich habe „die einzig richtige und die einzig mögliche Entscheidung getroffen“, stärkte er seinem Parteikollegen den Rücken. Seine weitere Amtszeit wäre ansonsten "immer in Abhängigkeit von der AfD gewesen“. Lindner forderte die CDU in Thüringen auf, den Weg für Neuwahlen freizumachen.

Merkel: „Schlechter Tag für Demokratie“

Immer lauter waren im Laufe des Donnerstags die Forderungen nach Neuwahlen geworden: Kanzlerin Angela Merkel nannte die Wahl Kemmerichs einen „unverzeihlichen Vorgang“, der rückgängig gemacht werden müsse. Sie stellte sich damit hinter die Neuwahlforderungen, die bereits am Mittwoch von CDU und CSU, von SPD, Grünen und der Linkspartei auf Bundesebene gefordert worden waren.

Die Wahl habe mit einer "Grundüberzeugung" gebrochen, sagte Merkel bei einem Besuch in Südafrika, "sowohl von mir als auch der CDU", dass keine Mehrheit mit Hilfe der AfD gefunden werden dürfe. Sie sprach von einem "schlechten Tag für die Demokratie". Einem Tag, „der mit den Werten und Überzeugungen der CDU gebrochen hat.“

Auch innerhalb der FDP war der Druck zunehmend gewachsen: "Ich rechne damit, dass Thomas Kemmerich sein Amt zurückgibt in nicht allzu ferner Zukunft und dass es dann Neuwahlen gibt", sagte der Vizefraktionschef der FDP im Bundestag, Alexander Graf Lambsdorff, am Donnerstag im Deutschlandfunk. Durch Kemmerichs Wahl mit Stimmen der rechten AfD sei "Schaden entstanden", sagte Lambsdorff.

(APA/dpa/AFP/Reuters/red.)

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