Lehrer sollen für Umgang mit Antisemitismus gerüstet werden

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Plattform erinnern.at soll konkrete Hilfestellungen für den Unterricht, Lehrerfortbildung und Workshops erarbeiten.

Das Institut für Holocaust Education des Bildungsministeriums, erinnern.at, will Lehrer besser für den Umgang mit antisemitischen Äußerungen und Vorfällen rüsten. Im Laufe des Jahres sollen konkrete Empfehlungen, Lernmaterialien und Hilfestellungen für den Unterricht entwickelt werden. Damit das möglichst praxisnah ausfällt, sollen Lehrer ihre Erfahrungen aus dem Schulalltag schildern.

Während es für den Unterricht zu historischem Antisemitismus schon viel Material gibt, fehlt es noch an Hilfestellungen für den Umgang mit aktuellen Formen des Antisemitismus, etwa in Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt. Für konkrete Szenarien, in denen Schüler im Unterricht antisemitische Klischees oder Vorurteile äußern, sollen die Lehrer nun zusätzliche pädagogische Angebote und Hilfestellungen bekommen. Auch spezielle Lehrerfortbildungen und Workshops für den Unterricht sind geplant.

„Bezugspunkte ins Heute"

"Es reicht nicht, nur über geschichtlichen Antisemitismus zu unterrichten, es braucht Bezugspunkte ins Heute", begründet erinnern.at-Mitarbeiter Axel Schacht den Bedarf. Gerade Schüler mit Migrationshintergrund würden oft nicht sehen, dass das Thema Holocaust auch für sie Relevanz hat und Teil ihrer eigenen Geschichte ist. Hier brauche es Material, das bei der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen anknüpft, etwa wenn auch die Fluchtgeschichte eines irakischen Juden thematisiert wird, wie in dem neuen Lernmaterial Fluchtpunkte.

Das Angebot sei allerdings nicht nur für eine bestimmte Zielgruppe gedacht, so Schacht. Denn antisemitische Vorurteile gebe es auch unter Jugendlichen ohne Migrationshintergrund, etwa das Stereotyp vom reichen Juden. Antisemitische Verschwörungstheorien kämen ebenfalls bei Weitem nicht nur in der muslimischen Community vor.

„Juden zu viel Einfluss"

Auch Stefan Schmid-Heher vom Zentrum für Politische Bildung der Pädagogischen Hochschule (PH) Wien verwehrt sich gegen die Debatte um einen "importierten Antisemitismus". Vorurteile gegen Juden und Judenfeindlichkeit seien zu keinem Zeitpunkt aus der österreichischen Gesellschaft verschwunden gewesen. Gleichzeitig müsse man über Daten Bescheid wissen, um Probleme zu erkennen und zu benennen, betont Schmid-Heher, der selbst eine Studie zum Thema an Wiener Berufsschulen durchgeführt hat.

Dabei stimmte die Hälfte der Lehrlinge aus muslimischen Familien der Aussage zu, dass Juden in Österreich zu viel Einfluss hätten. Unter den Berufsschülern ohne Migrationshintergrund waren es nur 16 Prozent. Der muslimisch geprägte Familienhintergrund dürfte für die Unterschiede allerdings laut dem Autor nicht unbedingt ausschlaggebend sein: Immerhin unterstellten auch 40 Prozent aus der Kontrollgruppe der Jugendlichen mit serbischen und kroatischen Wurzeln Juden zu viel Einfluss.

Tabuisierung und Provokation

Über die Ursachen würden diese Daten allerdings nicht viel sagen, betont Schmid-Heher. So könnten die Werte von Schülern ohne Migrationshintergrund dadurch gedrückt worden sein, dass diese genau um die Tabuisierung des Themas wissen. Die hohen Werte der Jugendlichen mit Migrationshintergrund könnten wiederum zum Teil auf eine Art Provokation der Mehrheitsgesellschaft zurückgehen. Ein möglicher Faktor sei auch ein gut gemeinter, aber letztlich erfolgloser Schulunterricht, bei dem nur historisches Wissen vermittelt und Antisemitismus in seiner Gesamtheit tabuisiert werde, während gleichzeitig unter den Schülern vorhandene Vorurteile nicht thematisiert werden.

Wenn Lehrer Antisemitismus unter den Schüler wirklich abbauen wollen, müssen sie aus Schmid-Hehers Sicht zunächst einmal herausfinden, welche Vorurteile und Einstellungen es in der Klasse überhaupt gibt und welche Gründe dahinter stecken. Ein massiv antisemitisches Weltbild sei das wohl nur selten, öfter wahrscheinlich Ohnmachtsgefühle in einer Welt, in der immer mehr Menschen den Eindruck hätten, dass ihr Tun keinen Einfluss mehr hat. I

st das Motiv der Nahostkonflikt, müsse man diesen im Unterricht intensiver behandeln, nicht die Geschehnisse in der NS-Zeit in Wien 1938. "Insgesamt sollte in der Schule - in der Politischen Bildung, aber auch in allen anderen Fächern über das Unterrichtsprinzip Politische Bildung - die politische Mündigkeit der Schüler das Ziel sein. Das ist die beste Prävention gegen Autoritarismus und alle Formen von Abwertung einer Fremdgruppe."

(APA)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.