Die Ich-Pleite

Topfpflanzen-Hype

(c) Carolina Frank
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Die Zimmerpflanze ist der Coffee-to-go-Becher der jüngsten Generation.

Als Teil der Nicht-Fridays-for-Fu­ture-Generation blickt man mit großer Sympathie auf die schulschwänzenden Klimakids. Und mit ein bisschen schlechtem Gewissen. Als wir damals Schule schwänzten, hatten wir nämlich nicht das große Ganze im Sinn. Sondern höchstens den großen Braunen. Oder den Taschengeld schonenderen kleinen Braunen, den wir zur schönsten Vormittagsschulzeit heimlich in der Konditorei getrunken und uns damit den Magen verdorben haben. Als Nachkommen von Caffè-Latte-Müttern und Barista-Vätern hat die Generation Greta ja keine Ahnung, was in unserer Jugend als „Kaffee" durchging. Sie hat das Wissen um fair getradeten und handgemahlenen Espresso praktisch mit der Muttermilch aufgesogen. Natürlich erst nach dem Abstillen und mit Sojamilch. Die jüngste Generation tauscht gern die Konditorei gegen die Mariahilfer Straße und das Kaffeetrinken gegen das Bäumepflanzen und bekommt dafür: Schuleschwänzen mit gutem Gewissen. Aber weil selbst der engagierteste Jugendliche hin und wieder nach Hause kommen und Nahrung zu sich nehmen oder Hausaufgaben machen muss, hatten ein paar schlaue Influencer die Idee, auch zuhause Bäume zu pflanzen. Zumindest grünes Zeug, das CO2 in Sauerstoff verwandelt. Daraus entstand ein Topfpflanzen-Hype. Sogenannte Plantfluencer posten ihre grünen Lieblinge auf Insta­gram und geben Pflegetipps. Die Zimmerpflanze ist der Coffee-to-go-Becher der jüngsten Generation. Konsequenterweise sprießen nun allerorts Pflanzencafés aus dem Boden. Da kann man neben seiner Lieblingspflanze gemütlich Kaffee trinken und den Philodendron oder die Sukkulente anschließend mitnehmen. Im Kaffeehaus statt in der Schule sitzen konnte man noch nie mit besserem Gewissen.

("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 07.02.2020)

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