Ökonomie des Gebens

Gutes Karma

(c) Arthur Michalek
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Nipun Mehta wandelte sich vom Nerd aus dem Silicon Valley zum Vorreiter einer Ökonomie des Gebens. Großzügig sein macht glücklich, sagt er und wünscht sich, dass auch Unternehmen damit beginnen. Es muss nur einer anfangen.

Donald Trumps gestrige Rede zur Lage der Nation muss Nipun Mehta physische Schmerzen verursacht haben. Der indischstämmige Amerikaner steht für die diametral entgegengesetzten Werte, für Vertrauen, Großzügigkeit und Freude am Geben – auch und gerade in der Wirtschaft.

An der WU Executive Academy, sonst eher ein Hort taffer Wirtschaftlichkeit, schilderte der frühere Obama-Berater kürzlich seine eigene Metamorphose. 1999, als blutjunger Berkeley-Absolvent im Silicon Valley, ödete ihn sein irrwitzig gut bezahlter Programmierjob bei Sun Microsystems an. Haufenweise PhDs, unkte er, die von großen Karrieren, großem Geld und großen Autos träumten. Gordon Gekko (Michael Douglas' Filmfigur in „Wall Street“, Anm.) war ihr Vorbild.

Mehta und ein paar Freunden genügte dieses Leben nicht. Sie wollten Gutes tun, mit den Fähigkeiten, die sie nun einmal hatten. Also klopften sie an die Tür eines Obdachlosenheims und boten der verdutzten Leiterin an, eine Website (damals etwas hoch Innovatives) für das Heim zu bauen. Kostenfrei, einfach so. „Schraubt los, Jungs!“, freute sich die Leiterin und drückte ihnen einen Schraubenzieher in die Hand. Sie wusste nicht, was eine Website war.

Geiz ist nicht geil

Zahllose gemeinnützige Homepages später hatten die Freunde eine weltumspannende Bewegung losgetreten. Heute leisten 500.000 Gleichgesinnte in ihrem Fahrwasser Arbeit ohne die Erwartung einer monetären Gegenleistung. Service Space – so der Name der „Farm“ dahinter – verschickt „Smile Cards“ („Ich habe Ihr Unkraut gejätet, bitte tun Sie dafür jemandem anderen etwas Gutes“). Sie verbreitet gute Nachrichten, „als Gegengewicht zur omnipräsente Negativberichterstattung, die nur Angst, Wut und Aggression erzeugt.“ Sie organisiert die Karma Kitchens, Pop-up-Restaurants in vielen Städten weltweit, in denen ein anderer Gast die Rechnung für einen begleicht. Im Gegenzug zahlt man ebenfalls die eines Fremden - und fühlt sich unheimlich gut dabei.

Großzügigkeit, ist Mehta überzeugt, bewirkt noch mehr Großzügigkeit. Das gilt auch für Unternehmen. Dort identifizierte er drei Arten von Menschen: giver (Gebende), taker (Nehmende) und matcher (Wechselseitige: gibst du mir, geb‘ ich dir). Die Gebenden, so nahm er an, würden sich nur in den unteren Hierarchieebenen finden, weil die „nice guys“ von jedem nur ausgenützt und klein gehalten würden. Stimmt nicht: „Einige saßen ganz oben an der Spitze.“ Ihre Überzeugung gab ihnen Kraft, er fand sie motivierter, willensstärker, ausgeglichener. Sie netzwerkten besser und besaßen „die Fähigkeit, selbst schlafende Verbindungen zu aktivieren“. Sie kooperierten erfolgreicher, ihre Teams waren produktiver. Und sie hatten weit größeren Einfluss auf das Geschehen als die selbstbezogenen Nehmenden.

Einer beginnt

Für eine solche Kultur des Gebens, ist Mehta überzeugt, brauche es nur einen Einzigen, der damit beginnt. Wie ein Stein im Wasser werde er Kreise ziehen, andere mitreißen, das Unternehmen mit neuen Werten überziehen. Weg von der Transaktion (ich gebe dir, du gibst mir), hin zur Beziehung ohne Reziprozität (ich gebe dir, du gibst einem ganz anderen) bis zur Vision unendlicher Gegenseitigkeit, wo alles zurückkäme und das Gute sich stetig vermehre.

Auch außerhalb des Unternehmens. Gleich Pilzfäden, die sich unterirdisch verbreiten, entstünde ein Netzwerk, in dem jeder mit jedem verbunden ist. Die Frage laute dann nicht länger „was können wir aus unseren Kunden herausholen?“, sondern „was können wir ihnen geben?“ Als Konsequenz entstehe wechselseitiges Vertrauen: weg von der direkten Gegenseitigkeit, hin zu einer indirekten. Was als Netz beginne, wachse zum Kreislauf, zum lebendigen Ecosystem, in dem jeder mit jedem durch gemeinsame Werte verbunden ist.

Schade nur, dass Donald Trump das nicht verstehen würde.

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