Barack Obama: Der entzauberte Präsident

Barack Obama entzauberte Praesident
Barack Obama entzauberte Praesident(c) AP (Pablo Martinez Monsivais)
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Von Afghanistan bis zur Ölpest: Barack Obama jongliert mit Vielzahl an Problemen. Die Zustimmungsrate ist auf ein Tief von 45 Prozent gesunken. Zwei Drittel wähnen die USA auf falschem Kurs.

washington. Michelle Obama bringt kein Mitleid auf für ihren Mann: „Du hast dich freiwillig für den Job gemeldet.“ Barack Obama pflegt diese Anekdote gern zu erzählen, um zu illustrieren, dass ihn am Ende eines harten Tages im Oval Office nicht einmal daheim Verständnis erwartet. Weder im Weißen Haus noch sonst wo findet der Präsident ein Ohr für ein allfälliges Lamento. „Ich bin dünn, aber ich bin zäh“, lautet sein Bonmot, das verdeutlichen soll, dass ihn nichts so leicht aus der Bahn zu werfen vermag.

Was allerdings in den vergangenen Tagen und Wochen auf Obama eingestürzt ist, hätte jeden Politiker ins Schleudern gebracht. Die Serie von Krisen und Katastrophen kulminierte am Mittwoch in dem Rücktrittsdrama um Stanley McChrystal, dem hochdekorierten Afghanistan-Kommandeur.

Der Präsident schaffte die Affäre rasch aus der Welt, indem er einen noch angeseheneren General für den härtesten Militärposten nominierte: David Petraeus.

Risse und Rivalitäten

Seit der Stratege die überraschende Wende im Irak-Krieg herbeigeführt hat, genießt er höchstes Renommee in Washington. Als junger Senator hat Obama die Strategie kritisiert. Sein Verhältnis zu dem Topmilitär, einem Republikaner, ist daher nicht ungetrübt.

Die Entscheidung brachte Obama allerorts ungeteilten Beifall ein. „Einen General verlieren, um den Krieg zu gewinnen“, kommentierte der Militärexperte Thomas Ricks die Devise. Sogar ein notorischer Kritiker wie Senator John McCain, der seit der Wahlniederlage keine Gelegenheit auslässt, den Präsidenten zu attackieren, erklärte: „Die Bestätigung Petraeus' wird womöglich die schnellste sein, die der Streitkräfteausschuss des Senats je getroffen hat.“

Freilich knüpfen sich an den Stabswechsel der Afghanistan-Mission neue Probleme. Der Eklat um die Schmähungen des McChrystal-Stabs hat nicht nur zutage gefördert, wie tief die Risse zwischen den Führungsebenen in der Afghanistan-Politik und die persönlichen Animositäten und Rivalitäten gehen. Er hat auch einen grundsätzlichen Konflikt zwischen der Regierung und den Militärs um die Einhaltung eines Abzugsplans aufgeworfen.

In einer Senatsanhörung legte Petraeus kürzlich eine lange Nachdenkpause ein, als die Sprache auf den geplanten Truppenrückzug im Juli 2011 kam. Wie führende Militärs plädieren auch die Republikaner dafür, den Termin offenzulassen. Der 57-jährige General, der im Vorjahr eine Prostata-Krebserkrankung überwunden hatte, kollabierte überdies vor dem Ausschuss und nährte Spekulationen über seinen Gesundheitszustand. „Die Frage von Senator McCain war dafür nicht verantwortlich“, scherzte Petraeus.

Um den nicht sonderlich erfolgreichen Verlauf der Afghanistan-Offensive hat sich Obama zuletzt kaum gekümmert, was ihm an der Front Kritik eintrug. Er war vollauf mit dem „Krieg“ an der Golfküste beschäftigt – dem Kampf gegen die Ölpest im Golf von Mexiko.

Das Umweltdesaster wird ihn bis weit in den Sommer hinein auf Trab halten, bis in den Wahlkampf für die Kongresswahlen im Herbst. Jüngst hat ihm ein Gericht in New Orleans neue Prügel vor die Füße geworfen, als es den dekretierten Stopp für neue Tiefseebohrungen aufgehoben hat.

Kritik am Führungsstil

Kritiker warfen Obama zögerliches Krisenmanagement und mangelnde Koordination vor. Der Präsident ließ Führungsqualitäten vermissen, und selbst seiner Rede an die Nation fehlte der gewohnte rhetorische Glanz. Die Einrichtung eines Entschädigungsfonds durch BP kann er sich hingegen auf seine Fahne heften.

Damit nicht genug: Die Gesundheitsreform wartet auf ihre Umsetzung, die Finanzreform liegt in den letzten Zügen, die Energiereform stagniert. Dieser Tage steht auch die Bestätigung Elena Kagans als Kandidatin für den Obersten Gerichtshof bevor.

Schwerwiegender ist indes, dass die Arbeitslosenrate weiter an der Zehn-Prozent-Marke schrammt und die Amerikaner längst die Geduld verloren haben. Überall im Land sitzt der Frust tief, dass der wirtschaftliche Aufschwung und die Milliardenprogramme der Regierung kaum Effekt erzielt haben.

Multitasking nennen die Amerikaner die Fähigkeit, diverse Aufgaben zugleich zu erfüllen. Obama wirkt wie ein Akrobat, der mit einem halben Dutzend Bällen jongliert. Er ist jedoch ein entzauberter Künstler. 17 Monate nach seinem Amtsantritt steckt er bis über zum Hals in Schwierigkeiten. In einer jüngsten Umfrage ist die Zustimmungsrate auf den Tiefststand von 45 Prozent gesunken. Fast zwei Drittel wähnen das Land auf einem falschen Kurs. Jeb Bush forderte Obama jetzt dazu auf, die Schuld nicht ständig seinem Bruder George W. in die Schuhe zu schieben. „Das ist wie bei einem Schüler, der sagt: Der Hund hat meine Hausaufgabe gefressen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2010)

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