US-Lehrer mit Dealer verwechselt: Wende im Prozess

USLehrer Dealer verwechselt Polizist
USLehrer Dealer verwechselt Polizist(c) APA (HERBERT NEUBAUER)
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Der dunkelhäutige Lehrer Mike-Brennan wurde bei einer Kontrolle von einem Polizisten verletzt. Im Prozess gegen den Beamten befindet nun die Richterin, dass auch vorsätzliche Körperverletzung vorliegen könne.

WIEN. „Herr B. war zur falschen Zeit am falschen Ort, und ich werde jetzt als rassistischer Prügelpolizist hingestellt.“ Das sagt Revierinspektor Sch. (36) – jener Beamte, der am 11.Februar 2009 um 14.18 Uhr in der U-Bahn-Station Spittelau den US-Bürger Michael Brennan (36) am Bahnsteig zu Fall gebracht hatte, weil er ihn mit einem Drogendealer verwechselte. Dem Polizisten wird fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Gestern, Donnerstag, wurde im Bezirksgericht Josefstadt verhandelt – am Ende stand fest: Nicht ein „kleines“ Bezirksgericht, sondern ein Landesgericht wird entscheiden. Aber der Reihe nach...

Richterin Margaretha Richter findet es „sehr eindrucksvoll“, als der Kampfsport-Sachverständige Franz Triendl und der Beschuldigte plötzlich vor dem Richtertisch am Boden liegen, aufeinander liegen, um genau zu sein. Ein solches Nachstellen der „Anwendung von Körperkraft“ wird im Bezirksgericht Josefstadt normalerweise natürlich nicht geboten. Doch der Vorfall ist alles andere als normal. „Ich habe schon 500 Drogendealer festgenommen. Ich weiß, wie es geht“, sagt Sch. Aber diese eine Festnahme war ein einziger großer Irrtum.

„Police, stop, police!“

Michael Brennan, Sportlehrer der Vienna International School, fuhr ausgerechnet im selben Waggon wie ein von Fahndern observierter Dealer. Sch. hatte eine Beschreibung des Gejagten. Doch diese traf auch auf Brennan zu. Der Lehrer stieg aus dem Zug aus und – Zugriff. Sch.: „Ich habe gerufen, ,Police, stop, police. You are arrested for drug dealing!‘.“ Seine Dienstkokarde habe er gut sichtbar an einer Kette um den Hals getragen. Brennan habe darauf nicht reagiert, vielmehr habe er sich „abgeduckt“ und „den Körper verspannt“. Sch.: „Meine Annahme war, er wird flüchten.“

Jetzt geht alles rasend schnell. Sch. packt Brennan im Schulterbereich an der Kleidung, zieht ihn ruckartig zu sich, drückt ihn dann von sich weg, damit er das Gleichgewicht verliert und bringt ihn rücklings zu Boden. Die Worte „Stop, police!“ hört freilich auch der unmittelbar hinter Brennan befindliche „echte“ Dealer, der sich daraufhin in den U-Bahn-Schacht flüchtet und später von anderen Beamten erwischt wird.

Brennan schildert die Sache nun völlig anders. Er sei nie aufgefordert worden, stehen zu bleiben. Und wenn, hätte er gehorcht. Da, wo er herkomme, aus Jacksonville, Florida, mache man als Schwarzer keine Bewegung mehr, wenn man das Wort „Polizei“ hört. „Sonst könnte man angeschossen und getötet werden.“

Vorsatz nicht ausgeschlossen

Über die Festnahme sagt der Amerikaner: „Sein ganzer Körper hat mich getroffen. Es war ein Angriff wie beim Football.“ Er muss es wissen, war der kräftig gebaute Lehrer doch Linebacker (Abwehrspieler) in einem Footballteam. Brennan weiter: „Er lag auf mir drauf und hat mich mit Faustschlägen eingedeckt.“ Auch „eine zweite Person“, gemeint ist offenbar ein Kollege von Sch., „ist auf mich draufgesprungen“.

Faustschläge stellt Sch. in Abrede. Auch der Sachverständige findet „kein Verletzungsmuster von Faustschlägen“. Und das, obgleich der Beschuldigte seit fünf Jahren Boxsport betreibt und wohl über einen harten Schlag verfügt. Klar ist aber: Der US-Lehrer erlitt Frakturen von zwei Fortsätzen der Lendenwirbelkörper, eine Rippen-, eine Schädelprellung sowie eine Zerrung der Nackenmuskulatur.

Nach alledem befindet die Richterin, dass auch vorsätzliche Körperverletzung vorliegen könne. Und erklärt sich unzuständig. Der Fall muss nun vor einem Landesgericht neu aufgerollt werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.06.2010)

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