Wuhan

Coronavirus: Chinesen sind empört über Tod von Whistleblower-Arzt

Sympathiebekundungen mit Li Wenliang: Blumen und Bilder vor dem Zentralen Hospital in Wuhan.
Sympathiebekundungen mit Li Wenliang: Blumen und Bilder vor dem Zentralen Hospital in Wuhan.(c) APA/AFP/STR (STR)
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Die Lungenepidemie fordert ein prominentes Opfer: Li Wenliang, der für seine Berichte über die Lungenkrankheit verwarnt worden war, ist tot. Die Wuhaner Behörden versuchten seinen Tod zunächst zu verschweigen. Nun ermittelt die Anti-Korruptionsbehörde.

Es waren chaotische Zustände: Stundenlang, nachdem einige chinesische Medien berichtet hatten, dass der Augenarzt und Whistleblower Li Wenliang verstorben war, und nachdem die Berichte zeitweise wieder gelöscht worden waren, war noch immer nicht klar: War die Meldung falsch gewesen? Schließlich bestätigte das Zentrale Hospital vom Coronavirus-Herd Wuhan: Der 34-Jährige starb in der Nacht auf Freitag. Alle Bemühungen, ihn zu retten, seien vergeblich gewesen, hieß es.

Im Internet löste die Nachricht seines Todes und das ursprüngliche Zurückhalten der Meldung Wut über die Regierung, über ihr Umgehen in der Corona-Krise und die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in China aus: Kurzzeitig kursierte auf der chinesischen Social-Media-Plattform Weibo der Hashtag „Wir wollen Meinungsfreiheit“. Internetnutzer bezeichneten Li als „Held im Kampf gegen die Epidemie“. „Gute Menschen leben nicht lange, böse leben Tausende Jahre“, schrieb ein Nutzer. Auch ein Foto, auf dem „Lebewohl, Li Wenliang“ in den Schnee geschrieben war, kursierte im Internet.

Li und sieben weitere Teilnehmer einer Online-Diskussionsgruppe von Medizinern hatten schon am 30. Dezember vor dem Virus gewarnt. Sie waren kurz darauf von der Polizei vorgeladen und verwarnt worden. Auch mussten sie unterschreiben, dass sie nichts mehr über den Ausbruch enthüllen. Im Jänner infizierte sich der Arzt selbst bei einer Patientin. Zu diesem Zeitpunkt leugnete die Lokalregierung von Wuhan nach wie vor, dass eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich sei und unterdrückte alle Meldungen über die Sars-ähnliche Epidemie.

Selbst Firmenbosse und Funktionäre der Kommunistischen Partei ließen ihrem Kummer im Internet freien Lauf. „Wir sollten toleranter gegenüber Menschen sein, die 'unwahre Informationen', die nicht böswillig sind, veröffentlichen“, schrieb etwa Weibo-Chef Wang Gaofei. „Wenn es uns nur erlaubt ist, auszusprechen, was wir als Fakten garantieren können, werden wir den Preis zahlen“.

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„Tiefe Wut und Frustration“

Nachdem die Behörden mit ihrer strikten Zensur bereits die rasante Ausbreitung der neuartigen Lungenkrankheit ermöglicht hatten, war der Umgang mit der Todesmeldung Lis ein weiteres Beispiel für die Zensurpraktiken in China. Offenbar wollte die Lokalregierung in Wuhan den jungen Arzt angesichts der Online-Empörung noch nicht offiziell sterben lassen.

„Die Berichte über Lis Tod zeigen eine tiefe Wut und Frustration“, schreibt der US-China-Experte Bill Bishop. „Der gesellschaftliche Vertrag der Partei mit der Bevölkerung, dass sie das Wohl der Menschen und immer mehr wirtschaftlichen Wohlstand sicherstellt, wird auf einem Level herausgefordert, an das ich mich in den vergangenen Jahrzehnten nicht erinnern kann.“

(c) Soziale Medien

Die chinesische Führung wird angesichts der aufkeimenden Unruhe in der Bevölkerung nervös: Schon am Montag hatte Peking in einem ungewöhnlichen Schritt "Fehler" im Umgang mit der Epidemie eingeräumt. Nun kündigten die chinesischen Korruptionsbehörden eine Untersuchung zu den von der Bevölkerung aufgebrachten "Fragen" im Zusammenhang mit Lis Tod an.

Im Jänner hatte bereits das oberste Gericht Chinas das Vorgehen der Polizei in Wuhan kritisiert. Die Polizei habe die ersten "Gerüchteverbreiter" bestraft, statt auf die Informationen zu reagieren, erklärte das Gericht. Die Ausbreitung des Erregers hätte demnach eingedämmt werden können, "wenn die Öffentlichkeit die 'Gerüchte' zu der Zeit geglaubt hätte".

WHO warnt vor Mangel an Schutzausrüstung

Der tägliche Anstieg der neu bestätigten Infektionen mit dem Coronavirus scheint sich hingegen leicht stabilisiert zu haben - ist aber weiter sehr hoch. Die Zahl der Ansteckungen legte bis Freitag erneut um 3143 zu. Damit sind 31.161 Virusfälle bestätigt. Innerhalb eines Tages starben aber wieder 73 Patienten an der neuartigen Lungenkrankheit - so viele wie am Vortag. Damit sind in China schon 636 Todesfälle zu beklagen.

Ob mit den neuen Zahlen bereits ein weitergehender Trend bei den Ansteckungen erkennbar ist, scheint offen, da die Statistik auch mit der Zahl der laufenden Untersuchungen schwanken kann. Zudem sind weiter mehr als 26.000 Verdachtsfälle registriert. Die Weltgesundheitsorganisation warnt bereits vor einer weltweiten Knappheit an Virus-Schutzausrüstung.

Außerhalb von Festland-China sind in mehr als zwei Dutzend Ländern mehr als 270 Infektionen und zwei Todesfälle bestätigt. Erstmals ist auch ein Italiener an dem Virus erkrankt. Der am Montag mit einer Gruppe aus 56 italienischen Studenten und Unternehmern aus der chinesischen Krisenstadt Wuhan zurückgekehrte Mann wurde in Rom positiv auf den Coronavirus getestet.

APA/AFP/JIJI PRESS/

Chinesische Forscher: Schuppentier als Überträger

An Bord eines unter Quarantäne gestellten Kreuzfahrtschiffes in Japan wurden weitere 41 Infektionen festgestellt, wie das japanische Gesundheitsministerium bekannt gab. Damit erhöht sich die Zahl auf dem Schiff auf 61. Die Betroffenen werden in Krankenhäuser gebracht. Die übrigen der insgesamt 2666 Passagiere, etwa die Hälfte davon Japaner, sowie 1045 Crew-Mitglieder sollen bis 19. Februar an Bord bleiben. Auch in Hongkong liegt ein Kreuzfahrtschiff mit mehr als 1800 Passagieren und 1800 Crewmitgliedern fest. Bei drei Menschen, die im Jänner mit der "World Dream" gereist waren, war das Virus festgestellt worden.

Auf der Suche nach dem Ursprung des Erregers gibt es offenbar eine neue Fährte: das Pangolin-Schuppentier. Das Säugetier könnte ein Zwischenwirt in der Ansteckungskette sein, fasste die Südchinesische Agraruniversität ihre Untersuchungsergebnisse zusammen. Die mit Hornschuppen bedeckten Tiere werden illegal gehandelt. Ihr Fleisch gilt in Asien als Spezialität. Pangoline gehören in Asien zu den am häufigsten geschmuggelten Arten. Forschungskollegen äußerten jedoch bereits Kritik an der These.

REUTERS

(me/ag.)

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