Thüringen

Der CDU droht bei Neuwahl in Thüringen ein Debakel

Mike Mohring genießt in seiner Fraktion nicht mehr das volle Vertrauen.
Mike Mohring genießt in seiner Fraktion nicht mehr das volle Vertrauen.REUTERS
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Um eine rot-rot-grüne Mehrheit in naher Zukunft zu verhindern, stemmt sich die CDU gegen Neuwahlen und fordert von SPD und Grünen einen Kompromisskandidaten für das Ministerpräsidentenamt. Fraktionschef Mohring ist zurückgetreten.

so ganz kurz wird seine Amtszeit nun doch nicht dauern. Der Ministerpräsident des ostdeutschen Bundeslandes Thüringen, Thomas Kemmerich, lehnt einen sofortigen Rücktritt ab. Die Juristen der Landtagsverwaltung und der Staatskanzlei seien sich einig, "dass ein Rücktritt - zum Beispiel sofort - nicht geboten ist, da es wichtige Entscheidungen der Landesregierung gibt, für die es zumindest ein amtierendes Regierungsmitglied braucht", sagte Kemmerich. Linke, SPD und Grüne hatten den Rücktritt des mit Stimmen von AfD und CDU zum Regierungschef gewählten FDP-Politikers bis zum Sonntag gefordert.

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Die Landtagspräsidentin werde eine Sondersitzung des Ältestenrates des Landtages einberufen. Dort solle ein verfassungsgemäßer Weg entschieden werden, "wie es schnell zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten kommen kann", sagte Kemmerich. Laut einem Sprecher Kemmerichs beträgt die Ladungsfrist dafür sieben Werktage. Der Ältestenrat werde daher am 18. Februar tagen.

CDU gegen Neuwahl

Die CDU-Bundesspitze hat zur Lösung der Krise im ostdeutschen Bundesland einen Kompromisskandidaten von Grünen oder SPD für das Amt des Ministerpräsidenten gefordert. Der ehemalige Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) verfüge offensichtlich nicht über eine Mehrheit im Thüringer Landtag, sagte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Freitag nach einer Sitzung des Parteipräsidiums in Berlin.

Es werde keine Stimmen der Thüringer Christdemokraten für einen Kandidaten der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) oder der Linkspartei geben. Dies sei Teil eines einstimmigen Beschlusses des Präsidiums. Wenn keine stabile Lösung zustande komme, müsse es eine Neuwahl geben. Grüne und SPD in Thüringen wehrten den Vorschlag der CDU jedoch prompt ab.

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Auslöser der Krise war die Wahl des FDP-Politikers Kemmerich am Mittwoch zum Thüringer Regierungschef mit Stimmen der rechten AfD sowie der CDU. Dies hatte ein politisches Beben ausgelöst. Der Kandidat der Liberalen hatte sich damit gegen Ramelow durchgesetzt. Das stellte den Wahlausgang vom 27. Oktober auf den Kopf. Damals hatte die Linke 31 Prozent geholt, die rechtsgerichtete AfD 23,4 Prozent und die CDU nur 21,7 Prozent. Die SPD war auf enttäuschende 8,2 Prozent gekommen. Grüne (5,2) und FDP (5,0) schafften den Einzug in den Landtag nur denkbar knapp.

Grüne und SPD gegen Einmischung von CDU-Chefin

Die Grünen in Thüringen wiesen den CDU-Vorschlag ab. "Ich glaube nicht, dass Frau Kramp-Karrenbauer in der Position ist, Vorschläge oder Aufträge zu erteilen", sagte Grünen-Fraktionschef Dirk Adams am Freitag in Erfurt. SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee twitterte, dies sei "der untaugliche Versuch", Rot-Rot-Grün zu spalten. Die Thüringer CDU müsse klar entscheiden, ob sie bei einer Neuwahl Ramelow verhindern wolle oder nicht. Tiefensee schrieb weiter: "Der beste Weg ist eine Selbstauflösung des Landtages und Neuwahlen."

Auch bei der Linken stieß Kramp-Karrenbauers Vorschlag umgehend auf Kritik. Der Berliner Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich twitterte: "Ich schlage vor, dass der Deutsche Bundestag einen 'Konsenskandidaten' von Bündnis 90/Die Grünen zum Kanzler wählt. Ohne Neuwahlen. Jetzt. Die sind zwar von der kleinsten Fraktion, aber egal. Hallo @akk, merken Sie was?" Sein Fraktionskollege Lorenz Gösta Beutin nannte Kramp-Karrenbauers Vorschlag "absurd". Rot-Rot-Grün werde sich nicht spalten lassen.

Mohring muss doch gehen

Der Thüringer CDU-Fraktionschef Mike Mohring habe während der Krisensitzung in der Nacht auf Freitag in der Erfurter Fraktion seinen Rücktritt in Aussicht gestellt, bestätigte die CDU-Chefin. Kurz danach bestätigte die Thüringer CDU, dass Mohring bei der Neuwahl des Fraktionsvorstands im Mai nicht mehr antreten werde.

In der Nacht auf Freitag war Kramp-Karrenbauer in Erfurt mit Forderungen nach einer Neuwahl nicht durchgedrungen. Sie räumte den Parteifreunden in Erfurt Zeit ein, einen parlamentarischen Weg aus der Krise zu finden. Am Freitag erhielt sie Rückendeckung aus der Parteispitze in Berlin. Es wurde sechs Punkte beschlossen. In der Liste steht auch: Von der CDU gebe es keine Stimme für Kandidaten der AfD oder der Linken und nicht für Kandidaten, der auf Stimmen der AfD angewiesen sind. Ramelow habe offensichtlich keine Mehrheit im Landtag. Wenn der Versuch scheitere, im Thüringer Parlament stabile Verhältnisse zu erreichen, "sind Neuwahlen unausweichlich".

Mohring verteidigte noch vor der Sitzung seine Ablehnung einer Neuwahl. "Neuwahlen lösen die Problematik der schwierigen Situation in Thüringen nicht auf", sagte er. Nach einer Wahl könnte dieselbe politische Situation entstehen. Der Landtag müsse jetzt eine Lösung finden "und die liegt definitiv nicht in Neuwahlen". Die Forderung nach einer Neuwahl habe viele Leute irritiert. "Die angedrohten Zwangsmaßnahmen haben noch mehr irritiert." Welche konkreten "Zwangsmaßnahmen" er damit meinte, erwähnte Mohring nicht. Die Landes-CDU befürchtet bei einer Neuwahl erhebliche Stimmverluste.

Aktuelle Umfrage

Bei Neuwahlen in Thüringen könnte Rot-Rot-Grün nach einer aktuellen Umfrage wieder auf eine Mehrheit hoffen. Nach einer am Freitag veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL und n-tv würde die Linke des bisherigen Ministerpräsidenten Ramelow deutliche Zugewinne verbuchen, während die CDU fast die Hälfte ihrer Wähler verlöre. Die FDP von Kemmerich käme nicht einmal mehr in den Landtag. Parteichef Christian Lindner hat am Freitag die Vertrauensfrage gestellt. Lindner erhielt von 36 abgegebenen Stimmen 33 Ja-Stimmen und eine Nein-Stimme. Zwei Anwesende enthielten sich.

Die Linke würde sich der Umfrage zufolge auf 37 Prozent verbessern. Auch Ramelows bisherige Koalitionspartner SPD (neun Prozent) und Grüne (sieben Prozent) könnten leichte Zugewinne verbuchen. Die AfD würde sich ebenfalls leicht von 23,4 auf 24 Prozent verbessern. Die CDU stürzt in der Umfrage hingegen auf nur noch zwölf Prozent ab. Die FDP würde mit vier Prozent aus dem Landtag fliegen.

Auch die FDP-Spitze kam am Freitag zu Beratungen zusammen. Parteichef Christian Lindner wollte die Vertrauensfrage stellen. Er war unter selbst unter Druck geraten und am Donnerstag zu Krisengesprächen nach Erfurt gereist. Parteivize Katja Suding sagte dem Nachrichtenportal "Watson", es sei wichtig gewesen, dass Lindner Kemmerich "zum Rücktritt bewegen konnte". "Das war wichtig als Signal dafür, dass die FDP nichts mit der AfD zu tun hat."

(APA/DPA)

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