Der ökonomische Blick

Das (Verhaltens-) Dilemma beim Klimaschutz

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Jeden Montag präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Jürgen Huber und Michael Kirchler über Klimaschutz aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive.

Spätestens seit den frühen 1990er-Jahren weiß die Menschheit, dass eine Reduktion der Treibhausgasemissionen eines der drängendsten Probleme in der Menschheitsgeschichte ist. Dieser Beitrag analysiert die Struktur dieses sozialen Dilemmas, wonach Trittbrettfahren als dominante Strategie gesehen wird und wonach die Tendenz, die Gegenwart höher als die Zukunft zu bewerten (Gegenwartspräferenz), ein mächtiger verhaltenswissenschaftlicher Gegner des Klimaschutzes ist. Als möglicher Ausweg wird die Idee einer sogenannten „Carbon Dividend“ (CO2 Dividende) diskutiert.

Nehmen wir an, dass Sie hauptberuflich fischen. Allerdings wollen das auch viele andere im gleichen See machen. Aus individueller Sicht haben alle den Anreiz, möglichst viel Fische aus dem See zu holen. Wenn allerdings alle ähnlich handeln, dann wird der See in kurzer Zeit überfischt sein und jeder stellt sich langfristig schlechter. Dieses Beispiel beschreibt die Situation eines klassischen sozialen Dilemmas, nämlich, dass die individuell optimale Strategie (der Versuch möglichst viele Fische zu fischen) zu einem kollektiv schlechten Ergebnis in der Zukunft führt (der See ist überfischt).

Trittbrettfahrerstrategie

Diese soziale Dilemma Situation ist auf die Klimakrise anwendbar. Individuell wäre es vermeintlich gut das eigene klimaschädliche Verhalten nicht zu verändern, in der Hoffnung, dass es andere tun und somit der/die Trittbrettfahrer*in auch vom „öffentlichen Gut“ der CO2-Reduktion in Zukunft profitieren. Wenn aber viele so denken, dann steigt der CO2-Ausstoß weiter und alle stellen sich auf lange Sicht schlechter. Diese Struktur des Problems macht den Klimaschutz aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht so schwierig, denn einzelne wenden die sogenannte Trittbrettfahrerstrategie mit Verweis auf die Verteilung der Verantwortung an („mein Beitrag zum Klimaschutz ist ohnehin irrelevant“).

Jeden Montag gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Dazu kommt noch ein weiterer verhaltenswissenschaftlicher Aspekt, der ein mächtiger „Gegner“ für den Klimaschutz ist, nämlich die Gegenwartspräferenz. Diese beschreibt, dass viele Menschen (vor allem auch politische Entscheidungsträger*innen) die Gegenwart höher bewerten als die Zukunft. Auf die Klimakrise angewendet bedeutet das, dass der Nutzen aus einer CO2-Reduktion, der erst in vielen Jahren spürbar wird, weniger wiegt, als der gegenwärtige Nutzen von klimaschädlichem Verhalten. Das zeigt sich z.B. auch im Bereich der Pensionsvorsorge. Studien aus den USA zeigen, dass einer Mehrheit das Problem der zu geringen Ansparung für die Zukunft bewusst ist, allerdings eine Mehrheit noch wenige entsprechende Schritte in der Gegenwart eingeleitet hat. Bemerkenswert ist, dass es in diesem Bereich eine 1:1-Relation gibt, wonach der/die Einzelne nur für das zukünftige Selbst anspart. Im Bereich der Klimakrise ist diese Relation diffuser, denn nicht nur der/die einzelne, sondern Hunderte Millionen oder Milliarden anderer müssten auch entsprechend an die Zukunft denken.

Als ein möglicher Ausweg aus diesem Dilemma wird die Idee einer CO2-Bepreisung diskutiert und in Form einer sogenannten „Carbon Dividend“ (CO2 Dividende, Klimabonus) eine Variante vorgeschlagen, die die oben erwähnte Gegenwartspräferenz adressiert. Die Idee ist eine CO2-Bepreisung (erhoben bei der Extraktion oder dem Import von Rohstoffen und Waren), deren gesamtes Steueraufkommen in Form einer für alle Bürger*innen gleich hohen „Dividende“ periodisch, z.B. monatlich, auf das Gehaltskonto überwiesen wird. Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht wird der Nutzen von CO2-Steuern in Form von Monats- oder Quartalsgutschriften direkt sichtbar. Das ist auch im Gegensatz zur aktuellen Debatte einer CO2-Bepreisung zu sehen, in der primär die vermeintlichen Nachteile für den einzelnen im Alltag diskutiert werden (z.B. höhere Treibstoffkosten, Verteuerung von Gütern), allerdings wenig auf potenzielle Vorteile (z.B. Reduktion anderer Steuern oder Klimabonus) eingegangen wird.

Sozial ausgleichender Effekt

Eine entsprechend gestaltete Carbon Dividend hätte, so zeigen Analysen des US Treasury Departments für die USA, auch einen sozial ausgleichenden Effekt, zumal die 70-80 Prozent der untersten Einkommensbezieher*innen aufgrund geringeren Konsums und Mobilität davon profitieren dürften, das heißt sie würden mehr Geld durch den Bonus bekommen als sie an CO2-Steuern zahlen müssten (siehe auch: Anfragebeantwortung des Budgetdiensts des österreichischen Parlaments zur positiven Verteilungswirkung eines Klimabonus für untere Einkommensklassen).

Der Kern dieses Konzepts wird auch prominent von mehr als 3500 Ökonom*innen der USA, 27 Nobelpreisträgern, vier ehemaligen FED-Chefs und von Unternehmen unterschiedlicher Branchen unterstützt (https://clcouncil.org/economists-statement/). An diesem konkreten Vorstoß ist allerdings zu kritisieren, dass damit auch die Abschaffung bzw. Aufweichung einiger anderer Umweltmaßnahmen gefordert wird. Eine CO2-Steuer darf nicht als Ersatz, sondern vielmehr als Ergänzung zu bereits bestehenden Umweltschutzmaßnahmen gesehen werden.

Letztlich gilt es im Zuge der Debatte einer CO2-Bepreisung noch die Aspekte Wettbewerbsvorteile und alternative Erlösverwendung aufzuzeigen. Da die Menschheit auf fossile Brennstoffe verzichten wird (müssen), sind Wettbewerbsvorteile für Innovationsführer (first movers) realistisch. Zudem könnten Erlöse aus der CO2-Bepreisung auch z.T. zur Förderung entsprechender Innovationsanreize für CO2-arme Technologien, mit entsprechender Lenkungswirkung, verwendet werden.

Die Autoren

Jürgen Huber ist Professor für Finanzwirtschaft und seit 2008 Leiter des Instituts für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen experimentelle und empirische Finanzmarktforschung sowie Informationsökonomie.

Michael Kirchler ist seit 2013 Professor für Finanzwirtschaft an der Universität Innsbruck und beschäftigt sich mittels Labor- und Feldexperimenten mit menschlichem Verhalten in ökonomischen Entscheidungssituationen. 2013 erhielt Kirchler den START-Preis – die höchste Förderung heimischer NachwuchswissenschaftlerInnen - und seit 2017 leitet er, zusammen mit Rudolf Kerschbamer, den Spezialforschungsbereich (SFB) zu "Vertrauensgüter, Anreize und Verhalten".

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