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Ein Baby verhindert keinen Abschluss

Die Fachhochschulen sind bemüht, Schwangere und Studierende mit Kindern zu unterstützen.
Die Fachhochschulen sind bemüht, Schwangere und Studierende mit Kindern zu unterstützen.Getty Images
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Auch die dicht getaktete Studienstruktur an einer FH kann mit der Geburt eines Kindes vereinbar sein. Die Fachhochschulen bemühen sich meist um Entgegenkommen, einige sind sogar eigens zertifiziert.

Ein Baby kann alles auf den Kopf stellen – Karriere, Wohnort, Partnerschaft. Dem Nachwuchs ist nicht nur jegliche Lebensplanung egal, sondern bei studierenden Eltern auch deren Studien- oder Stundenpläne. Etliche Fachhochschulen tun einiges, um die Betreuung eines Neugeborenen und den Abschluss seiner Eltern vereinbar zu machen, dies trotz bekanntlich straffer Studienorganisation.

Speziell bei berufsbegleitenden Studiengängen können geblockte Lehrformen organisatorisch manches erleichtern. Die FH-Burgenland-Absolventin Anja Friesenbichler zum Beispiel verlor durch die Geburt ihres Kindes kein einziges Semester. Sie habe nur insgesamt zwei Lehrveranstaltungen versäumt, erzählt Friesenbichler. Die ausgebildete Sozialpädagogin studierte im Masterstudiengang Human Resource Management und Arbeitsrecht (MOEL), ihr Lebensgefährte Dominic Ziech zeitgleich im Masterstudiengang Business Process Engineering and Management, als beide Eltern einer kleinen Tochter wurden. Ihr Partner habe sich praktisch in der gleichen Situation befunden wie sie selbst, sagt Friesenbichler. Was auch Vorteile hatte: „Er war mir immer eine große Stütze, indem er jeden Tag mit auf der Fachhochschule war – selbst wenn er keinen Unterricht hatte.“ Auch durch ihre Familie und durch die Rahmenbedingungen an der Fachhochschule sei es ihr möglich gewesen, das Studium ohne Unterbrechung fortzuführen. Zudem sei mit der Studiengangsleitung ein Plan erarbeitet worden, um das Studium in einem geregelten Rahmen abzuschließen zu können.

Verständnis im Hörsaal

Hemmschwellen, eine Vorlesung mit Baby zu besuchen, hätten sie nie gehabt, berichten beide Eltern. „Die Vortragenden sowie die Studienkollegen waren immer sehr verständnisvoll, wenn es mal etwas lauter wurde“, sagt Dominic Ziech. Auch Anja Friesenbichler bestätigt, in dieser Zeit eine sehr positive Einstellung ihr gegenüber erlebt zu haben. „Zum Stillen suchte ich dennoch in den meisten Fällen den Eltern-Kind-Raum auf, da mir die Routine noch fehlte und dieser Raum eine ungestörte Atmosphäre bot.“

Prüfung per Videokonferenz

Auf Schwangerschaft und Geburt werde an der Fachhochschule Burgenland nach Möglichkeit Rücksicht genommen, bestätigt deren Geschäftsführer Georg Pehm, der eine Fülle von Maßnahmen aufzählt, die diese Haltung bezeugen – von der Vermittlung familiengerechter Praktikumsplätze bis zur Anschaffung eines Kühlschranks auf Anregung einer Jungmutter, die in den Pausen ihre Milch abpumpen und kühl stellen wollte. Einmal sei auf Wunsch einer Studentin, die ihr zweites Kind erwartete, eine kommissionelle Masterprüfung per Video-Konferenz aus dem Spitalsbett in der Steiermark abgehalten worden; ein anderes Mal der Termin einfach vorverlegt worden, damit ein kleiner Erdenbürger nicht mehr die Prüfungswoche seiner Mama abwarten musste.

Audit für Familientauglichkeit

Die FH Burgenland gehört zu jenen 30 Hochschulen und Universitäten in Österreich, die sich freiwillig dem Audit „hochschuleundfamilie“ der gemeinnützigen „Familie & Beruf Management GmbH“ unterzogen haben.

Ebenso trifft dies auf die Fachhochschule Salzburg (FHS) zu. Auch nach dem Audit und der Zertifizierung als „familienfreundlichen Hochschule“ im Jahr 2013 wurden weiterhin laufend Maßnahmen umgesetzt, um Jungvätern und -müttern den Studienabschluss zu ermöglichen. „Die FH Salzburg versucht, das Thema Vereinbarkeit von Kind und Studium aktiv mitzugestalten und alternative organisatorische Lösungen anzubieten“, sagt FH Salzburg-Geschäftsführerin Doris Walter. Im Falle einer Schwangerschaft sei – neben diversen Info-Materialien – zum Beispiel die Sensibilisierung der Studiengangsleitungen wesentlich, um möglichst passgenaue Lösungen für die individuelle Situation zu finden, erklärt die Expertin. Erleichterungen seien auch durch die Möglichkeit geschaffen worden, die Studiengruppe auszuwählen oder zu wechseln, außerdem durch die Anpassung der Prüfungsordnung. So kann der Abgabetermin von Masterarbeiten offiziell wegen des Wochenbetts verschoben werden. Komplikationen während einer Schwangerschaft, der Mutterschutz oder die Pflege des Kindes gelten auch bei sonstigen Prüfungen als ausreichende Begründungen für das Nicht-Antreten. Seit dem Herbst 2019 gibt es an der FH Salzburg die Möglichkeit eines Teilstudiums: Bei Schwangerschaft oder aus anderen gewichtigen Gründen können die Lehrveranstaltungen eines Studienjahres auf zwei Jahre aufgeteilt absolviert werden.

Auch an Österreichs größter Fachhochschule, der FH Campus Wien, hat man sich dem Audit „hochschuleundfamilie“ gestellt, was etliche Maßnahmen zu Gunsten studierender Jungeltern zur Folge hatte. Ulrike Alker, zuständig für den Bereich „Gender & Diversity Management“, verweist auch hier auf Erleichterungen durch Änderungen der Studien- und Prüfungsordnung. Dort festgelegt sind etwa die Befreiung von der Anwesenheitspflicht, zum Beispiel wegen Terminen für die „Mutter-Eltern-Kind“-Untersuchung oder wegen besonderen zeitlichen Aufwands vor und nach der Geburt oder Adoption eines Kindes. Auch Studienunterbrechung und Teilstudium sind für werdende Eltern möglich, und zwar auch für gleichgeschlechtliche Mütter und Väter in Regenbogenfamilien.

Spielzeug als Mindeststandard

An allen drei Hochschulen wurden zudem auch Maßnahmen umgesetzt, die den Alltag mit einem Baby in der Praxis schlicht einfacher machen, zum Beispiel Einrichtung eines Stillzimmers am Campus, die Ausstattung von Toiletten mit Wickeltischen oder von Mensen mit Hochstühlen. Auch dass Spielteppiche, Spielkisten oder -trolleys bei Bedarf entlehnt werden können, scheint für eine Hochschule, die sich familienfreundlich nennen will, inzwischen State of the Art zu sein.

AUF EINEN BLICK

Eine Schwangerschaft oder die Notwendigkeit, ein Kleinkind zu betreuen sind trotz des streng regulierten Studienablaufs auch an einer Fachhochschule kein Grund, das Studium zu beenden. Sowohl Studienleitung als auch Kollegenschaft zeigen sich in der Regel verständnisvoll. So können etwa bezüglich einzelner Prüfungstermine individuelle Vereinbarungen getroffen werden. Mitunter gibt es auch etablierte Angebote, etwa in Form eines Teilzeitsudiums.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2020)

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