Professuren

Praxiswissen und „Genieparagraf“

Neben Praxiserfahrung und Fachwissen benötigen FH-Professoren auch didaktische Qualitäten.
Neben Praxiserfahrung und Fachwissen benötigen FH-Professoren auch didaktische Qualitäten.Getty Images
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Die Kriterien für Lehrende sind an den Fachhochschulen nicht genormt, aber durchaus anspruchsvoll – und spiegeln den pragmatischen Zugang der FH.

Als Kerstin Blumenstein 2002 ihre Ausbildung zur Mediengestalterin Bild und Ton bei einer deutschen Rundfunkanstalt machte, war sie weit von dem Gedanken entfernt, akademisch zu arbeiten. Dieser entwickelte sich mit ihrem Studium Medientechnik an der FH Sankt Pölten. „Schon währenddessen war ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig, und als dann eine Dozentenstelle ausgeschrieben wurde, habe ich mich beworben“, erzählt Blumenstein. Auch ohne abgeschlossene Dissertation habe sie „sehr viele Kriterien erfüllt, die gefragt waren, zum Beispiel wissenschaftliche Forschungstätigkeit und praktische Erfahrung durch meine Arbeit beim Rundfunk.“ Das hat dazu geführt, dass sie recht rasch FH-Professorin wurde.

„Jede FH hat eigene Kriterien zur Vergabe von Professuren“ sagt Sylvia Öhlinger, Leiterin des Kollegiums, des Bereichs Hochschulentwicklung sowie F&E an der FH Gesundheitsberufe OÖ. Manchmal seien die Hürden relativ niedrig, manchmal stelle eine FH sehr hohe Anforderungen. „Aber auch wenn es keine einheitlichen Richtlinien österreichweit gibt, ist doch eine Tendenz zur Angleichung sichtbar.“ Professoren in spe an der FH Gesundheitsberufe OÖ haben basierend auf ihrem Bachelorstudium im jeweiligen Gesundheitsberuf zumindest einen Master, meist in der Profession (etwa Ergo-, Physiotherapie oder Hebamme) oder im Bereich Hochschuldidaktik. Sie haben im Idealfall wissenschaftlich geforscht, bringen Praxiserfahrungen mit und sind pädagogisch-didaktisch kompetent. Zwei Wege führen an der FH Gesundheitsberufe OÖ zur Professur. Entweder man hält neben seiner Tätigkeit im Gesundheitsberuf einzelne Lehrveranstaltungen, oder man bewirbt sich als hauptberufliches Mitglied im Lehr- und Forschungspersonal.

Bei aller Autonomie: „Die Kriterien für eine FH-Professur sind bei uns sehr transparent“, sagt Tanja Eiselen, Rektorin der FH Vorarlberg. Die Bewerber müssen wissenschaftliche Qualifikationen nachweisen, entweder eine Dissertation oder Habilitation. Außerdem wird eine dreijährige Berufserfahrung außerhalb der Hochschule erwartet. „Lehrerfahrung im Umfang von 20 Semesterwochenstunden sowie eine zweijährige Zugehörigkeit zur FH im Umfang von 60 Prozent sind für uns ebenfalls wichtig.“

Unterschiedliche Schwerpunkte

Man kann sich für zwei Bereiche bewerben: für den Schwerpunkt Lehre oder den Schwerpunkt Forschung. Mit unterschiedlicher Gewichtung sind dann beispielsweise eine gute Evaluierung der bisherigen Lehrtätigkeit, Nachweise von didaktischen Fortbildungen oder innovative Lehrkonzepte gefragt. Auch der internationale Aspekt wird bewertet: „Das kann die Teilnahme an einer Tagung, die Organisation einer solchen oder die Fähigkeit, in Englisch zu lehren, sein“, erklärt die Rektorin. Anwärter für die Forschung müssen mehr als die Lehrinteressierten wissenschaftliche Tätigkeiten oder das Aufbringen von Drittmitteln nachweisen können. Im Rahmen dieses Anforderungskatalogs müssen 13 von 24 Punkten erreicht werden. Ist das der Fall, wird eine Kommission mit der Prüfung beauftragt, der eine Empfehlung folgt. Und nach der Antrittsvorlesung wird die Ernennung offiziell.

An der FH Salzburg wird vor allem in den „harten“ Fachabteilungen wie Informatik eine Promotionsurkunde erwartet. „Wir haben auch künstlerische Studien. Und wenn wir hier einen coolen Designer bekommen können, der kein Doktorat vorweisen kann, werden wir ihn trotzdem nehmen“, sagt Rektor Gerhard Blechinger und nennt das den „Genieparagrafen“. Wichtig ist trotz allem der Praxisbezug, den Lehrende über drei Jahre gesammelt haben sollten. Nach einem Jahr Lehrtätigkeit kann der Professorentitel vergeben werden. Bringt jemand nicht den vollen Strauß an didaktischem Know-how mit, kann er interne Kurse nutzen. Gezwungen wird niemand, „wir machen die Erfahrung, dass die Lehrenden eine durchaus intrinsische Motivation haben, ihre Dozententätigkeit mit didaktischem Wissen anzureichern“, sagt Blechinger.

Doch was braucht es noch, wenn man seine Berufserfahrungen durch eine akademische Komponente erweitern möchte? „Mir hat es immer schon sehr viel Spaß gemacht, zu unterrichten, zu begleiten, zu coachen“, sagt Blumenstein. Das habe sie an der FH wiederentdeckt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2020)

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