Ein Tropfen auf den Mikrochip

Die wissenschaftliche Neugierde entdeckte er früh in der Dunkelkammer mit Fotolithografie. Heute erschafft Pfusterschmied Mikrochips als Helfer im Alltag.
Die wissenschaftliche Neugierde entdeckte er früh in der Dunkelkammer mit Fotolithografie. Heute erschafft Pfusterschmied Mikrochips als Helfer im Alltag.(c) Akos Burg
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Der Materialwissenschaftler Georg Pfusterschmied entwickelte einen Sensor, mit dem man die Dichte und die Viskosität unterschiedlicher Flüssigkeiten messen kann.

Dass Georg Pfusterschmieds Forscherleben im Kinderzimmer begann, lässt sich mit Fug und Recht behaupten. Dort hat er nämlich mit Vorliebe Leiterplatten fabriziert, und zwar mittels Fotolithografie. Diese Technik kannte er aus der Dunkelkammer, in der seine Eltern ihre Bilder entwickelten. Die Hobbyfotografen hatten den Sohn schon früh mit ihrer Fotoleidenschaft angesteckt, und die Möglichkeiten der Fotolithografie wandte er dann eben auch erweitert an. „In der heutigen digitalen Fotowelt braucht man diese Methode ja eigentlich nicht mehr, wenn man nicht gerade ein Faible für Analogkameras hat“, sagt der Materialwissenschaftler. „Doch zur Herstellung von Leiterplatten und Prozessoren für unsere elektronischen Anwendungen ist sie unerlässlich. Damals haben mich allerdings weniger die Endgeräte interessiert als die faszinierenden Prozesse während der Erzeugung dieser Leiterplatten.“

Pfusterschmied ist Postdoc am Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme der Technischen Universität (TU) Wien. Dort baut er – auch größtenteils durch verschiedene Lithografieschritte – Sensoren aus Silizium oder Siliziumcarbid. Diese Chips auf Basis mikroelektromechanischer Systeme (MEMS), einer Kombination mechanischer und elektrischer Komponenten, sind allgegenwärtig in unserem Alltag. Man denke etwa an ABS-Sensoren im Auto, Handymikrofone oder Cochlea-Implantate im menschlichen Ohr.

Vom Kinderzimmer in den Reinraum

„Sie sind flexibel einsetzbare Helferlein, die es uns künftig ermöglichen werden, unsere Städte smart und Transportmittel effizienter zu machen oder Waren so ökologisch wie möglich zu produzieren“, skizziert Pfusterschmied die Vorzüge der winzigen Wunderwerke. Nach wie vor begeistert es ihn, dass er seine frühen Interessen heute in den Reinräumen der TU ungebremst ausleben kann. Über die einstigen Kinderzimmerexperimente seien seine Eltern ja aufgrund des Beschädigungspotenzials für Boden und Möbel nicht sehr erfreut gewesen. „Ich musste das Ganze irgendwann in die Schule auslagern.“ Nach der HTBL studierte er Elektronik und Technologiemanagement an der FH Joanneum in Kapfenberg und anschließend Materialwissenschaft an der TU Wien. „Hier hab ich jetzt die perfekte Infrastruktur“, strahlt der 32-Jährige. Er hat im Zug seiner Dissertation einen neuartigen MEMS-Sensor zur Messung der Dichte und Viskosität von Flüssigkeiten entwickelt. Dafür wurde er im Dezember mit dem Ernst-Fehrer-Preis der TU Wien ausgezeichnet.

Als Viskosität bezeichnet man den Widerstand, den eine Flüssigkeit einer Bewegung entgegensetzt. Ihre Zähigkeit gewissermaßen. So lässt sich ein Löffel aus einem Wasserglas leichter herausziehen als aus einem Honigtopf. Steckt er gar in etwas derart Klebrigem wie Bitumen von Asphalt, wird er sich wohl kaum mehr rühren können. „Von der Viskosität des Maschinenöls im Motor hängt es ab, ob der Kolben noch richtig schmiert oder ein Ölwechsel nötig ist“, erklärt Pfusterschmied. „Beim Bitumen sagt uns die Viskosität, ob der Asphalt noch stabil ist oder erneuert werden muss. Und aus der Dichte von Wein kann man ableiten, ob der Gärungsprozess richtig funktioniert hat.“ In medizinischen Fragen wiederum spiele die Viskosität von Blut eine wichtige Rolle. All diese Flüssigkeiten und noch etliche andere kann sein Sensor beurteilen und benötigt aufgrund seiner Kompaktheit dazu nur einen einzigen Tropfen. Das unterscheidet ihn von früheren Messmethoden, die weit größere Proben erforderten.

Pfusterschmied hat ein dünnes Plättchen im Mikrochip verbaut, das elektrisch zum Schwingen gebracht wird. „Taucht man den Chip in die Flüssigkeit, sieht man, auf welche Weise sich das Schwingungsverhalten des Plättchens ändert. Daraus lässt sich die Dichte und Viskosität berechnen.“

Dem Steirer ist neben seinem Forscherdrang übrigens auch die Liebe zur Fotografie erhalten geblieben. Hinzu kam eine Passion fürs Reisen. „Dazu restauriere ich gerade einen alten Geländewagen und baue ihn schrittweise zum Expeditionswohnmobil um“, erzählt er voller Elan.

ZUR PERSON

Georg Pfusterschmied (32) studierte Elektrotechnik und Technologiemanagement an der FH Joanneum Kapfenberg. Master und Dissertation absolvierte er an der TU Wien (Materialwissenschaften), wo er 2019 mit dem Ernst-Fehrer-Preis ausgezeichnet wurde. Auslandserfahrung sammelte Pfusterschmied als Gastforscher in Melbourne, Toronto und Novi Sad.

Alle Beiträge unter:diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2020)

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