Walk of Häme

Staatsanwälte disst man nicht

Oder: Warum kurz vor der Oscar-Nacht noch Filme mit Chancen aufgetaucht sind.

Wenn in der Nacht auf Montag in Los Angeles die begehrten Academy Awards vergeben werden, scheint die Liste der Favoriten klar. Wieder einmal Scorsese oder Tarantino, DiCaprio oder Hanks, Johansson oder – ja, wo ist denn eigentlich dieses Jahr Meryl Streep??? Doch zuletzt sind noch einige Streifen aufgetaucht, denen doch zumindest Außenseiterchancen zugebilligt werden können:

„Staatsanwälte disst man nicht“. Politthriller. Darin greift der Premierminister einer Partei, die seit 35 Jahren ununterbrochen in der Regierung sitzt und trotz der Vermutung von oppositionellen „roten Netzwerken“ in der Justiz gerade in Koalitionsverhandlungen das Justizressort freiwillig einer anderen Partei überlassen hat, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft als parteiisch an. Der Kniff im Drehbuch: Die Handlung wird nur indirekt erzählt, indem ein Journalist über ein Hintergrundgespräch berichtet, bei dem er selber gar nicht dabei war. Spannend, wenn auch etwas verworren.

„The Old Popes“. Satire. Zwei Päpste, die parallel im Vatikan regieren, bekämpfen sich öffentlich in so zentralen Fragen wie Zölibat, Mitwirkung von Frauen und Umgang mit sexuellem Missbrauch durch Geistliche. Als wäre das noch nicht genug, gibt es noch einen sexy Sidekick: Zwei attraktive Papstsekretäre („George Clooney des Vatikan“) spinnen da im Auftrag ihrer Herrn Intrigen und fallen dabei in Ungnade. Ziemlich an den Haaren herbeigezogen, aber durchaus unterhaltsam.

„Kemmerich gegen Kemmerich“. Politisches Kammerspiel. In der Kategorie „Bester ausländischer Film“ startet noch ein Außenseiter, produziert in den Erfurter Filmstudios. Die Low-Budget-Produktion, die ausschließlich im Thüringer Landtag spielt und mit Laiendarstellern besetzt wurde, verstört mit der Pervertierung von Demokratie durch Geschäftsordnungskniffe in der Provinz, die Auswirkungen bis in höchste Berliner Kreise hat.

„Joe Biden – Irgendwo in Iowa“. Trauerspiel. In nur einer Woche werden die Ambitionen eines Präsidentschaftskandidaten durch ein Zusammentreffen verschiedener Ereignisse zunichtegemacht, bevor der Wahlkampf überhaupt begonnen hat. Ernüchternd.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2020)

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