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Oscars 2020: "Parasite" ist der Überraschungs­sieger

Regisseur Bong Joon Ho (rechts) kann es kaum glauben: "Parasite" hat auch in der Kategorie bester Film gewonnen
Regisseur Bong Joon Ho (rechts) kann es kaum glauben: "Parasite" hat auch in der Kategorie bester Film gewonnen(c) REUTERS (Mario Anzuoni)
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Der südkoreanische Film „Parasite“ ist der erste nicht englischsprachige Film, der in der Königskategorie siegte. Joaquin Phoenix berührte mit seiner Dankesrede. Die Worte von Renée Zellweger gingen danach unter.

Die 92. Oscar-Nacht brachte viele Favoritensiege und eine große Überraschungen. Gleich zu Beginn der Gala konnte Hollywood-Beau Brad Pitt (im bereits vierten Anlauf) wie erwartet die begehrte Goldstatuette für seine Rolle in „Once Upon a Time in Hollywood“ erobern. Auch der Preis für Laura Dern („Marriage Story“) als beste Nebendarstellerin war keine Überraschung. In den Hauptkategorien lief es nicht anders: Sowohl Joaquin Phoenix („Joker“) als auch Renée Zellweger („Judy“) - bereits zum zweiten Mal - konnten die Preise einheimsen. Dann aber entwickelte sich unerwart der südkoreanische Film „Parasite“ zum Gewinner des Abends.

Die clevere Ungleichheitsparabel „Parasite“ gewann nicht nur in der Kategorie fremdsprachiger Film, sondern auch den Oscar für das beste Original-Drehbuch und Bong Joon Ho wurde als bester Regisseur gewürdigt. Diesem war sein Sieg so unangenehm, dass er anbot, seinen Oscar mit einer „Texas Chainsaw“ auseinanderzuschneiden, um ihn mit seinen Regie-Kollegen teilen zu können. Dass „Parasite“ letztlich auch noch als bester Film geehrte wurde, machte die Sensation perfekt. Noch nie war ein nicht englischsprachiger Film in dieser Kategorie prämiert worden. Viele hatten mit einem Sieg des Kriegsdramas „1917“ gerechnet, das sich mit drei Preisen in Nebenkategorien begnügen musste.

Phoenix gedenkt seines toten Bruders

Joaquin Phoenix nutzte seine Dankesrede für einen Aufruf zum Kampf gegen die Ungerechtigkeit. Viele Menschen seien weit von der Natur entfernt: „Viele von uns glauben, wir sind das Zentrum des Universums“. Er nahm sich selbst davon nicht aus, appellierte aber, dass der Mensch dann am besten sei, wenn er seinen Mitmenschen helfe und dankte auch all jenen im Saal, die nachsichtig zu ihm gewesen seien. Dann las er eine Songzeile vor, das sein früh verstorbener Bruder River Phoenix im Alter von 17 Jahren geschrieben habe: „Run to the rescue with love, and peace will follow“.

Ein bewegter Joaquin Phoenix.
Ein bewegter Joaquin Phoenix.(c) Reuters

Es war der emotionale Höhepunkt des Abends, die Rede von Zellweger danach ging unter. 2004 war sie bereits für „Unterwegs nach Cold Mountain" zur besten Nebendarstellerin gekürt worden, nun siegte sie für ihre Darstellung von Judy Garland im Biopic „Judy“. „Dieses vergangene Jahr mit Gesprächen über Judy Garland war eine tolle Erinnerung daran, dass uns unsere Heldinnen und Helden vereinen. Wenn wir zu ihnen aufschauen, dann sind wir uns einig“, sagte sie. 

Erstmals hat mit Hildur Gudnadottir auch eine Frau den Oscar für die beste Filmmusik gewonnen, ohne ihn sich mit einem Mann teilen zu müssen. Mit ihrem beunruhigenden Cello-Soundtrack für „Joker“ hatte sie bereits den Golden Globe gewonnen.

„45 Sekunden mehr als John Bolton“

Natürlich durften auch heuer politsche Statements in den Dankesreden nicht fehlen. Allen voran Brad Pitt konnte sich einen Seitenhieb in Richtung US-Präsident Donald Trump nicht verkneifen: „Man hat mir gesagt, ich bekomme 45 Sekunden hier - 45 Sekunden mehr als John Bolton diese Woche bekommen hat.“ Bolton war als Zeuge beim Impeachment-Verfahren gegen Trump nicht zugelassen worden.

Auch beim emotionalen Ausruf der Macherin des Dokumentarfilms „American Factory“ wird es den Präsidenten im Twitter-Finger gejuckt haben. „Workers of the world, unite!“, forderte diese. Sozialismus pur.

Der zweite Oscar für Renée Zellweger.
Der zweite Oscar für Renée Zellweger.REUTERS

Der Streamingdienst Netflix war in vielen Kategorie nominiert, ging aber so gut wie leer aus. Bloß die Nominierungen für Laura Dern („Marriage Story“) als beste Nebendarstellerin und „American Factory“ in der Kategorie Bester Dokumentar-Kurzfilm konnten in einen Oscar umgemünzt werden. In diesem Zusammenhang hatte auch US-Altpräsident Barack Obama Grund zur Freude: Die jüngst von Michelle und Barack Obama gegründete Produktionsgesellschaft Higher Ground zeichnet für den Netflix-Dokumentarfilm über die Menschen in einer Fabrik in Ohio verantwortlich.

Die Liste aller Preisträger und Nominierten der Oscar-Verleihung 2020

Bester Film

  • „Parasite“ – SIEGER
  • „1917“
  • „The Irishman“
  • „Jojo Rabbit“
  • „Joker“
  • „Ford vs Ferrari: Le Mans 66“
  • „Little Women“
  • „Marriage Story“
  • „Once Upon a Time in Hollywood“

Beste Regie

  • Bong Joon-ho: „Parasite“ – SIEGER
  • Martin Scorsese: „The Irishman“
  • Todd Phillips: „Joker“
  • Sam Mendes: „1917“
  • Quentin Tarantino: „Once Upon a Time in Hollywood“

Bester Hauptdarsteller

  • Joaquin Phoenix: „Joker“ – SIEGER
  • Antonio Banderas: „Leid und Herrlichkeit“ (Dolor y gloria)
  • Leonardo DiCaprio: „Once Upon a Time in Hollywood“
  • Adam Driver: „Marriage Story“
  • Jonathan Pryce: „Die zwei Päpste“ (The Two Popes)

Beste Hauptdarstellerin

  • Renée Zellweger: „Judy“ – SIEGERIN
  • Cynthia Erivo: „Harriet“
  • Scarlett Johansson: „Marriage Story“
  • Saoirse Ronan: „Little Women“
  • Charlize Theron: „Bombshell. Das Ende des Schweigens“

Bester Nebendarsteller

  • Brad Pitt: „Once Upon a Time in Hollywood“ – SIEGER
  • Tom Hanks: „Der wunderbare Mr. Rogers“ (A Beautiful Day in the Neighborhood)
  • Anthony Hopkins: „Die zwei Päpste“ (The Two Popes)
  • Al Pacino: „The Irishman“
  • Joe Pesci: „The Irishman“

Beste Nebendarstellerin

  • Laura Dern: „Marriage Story“ – SIEGERIN
  • Kathy Bates: „Richard Jewell“
  • Margot Robbie: „Bombshell. Das Ende des Schweigens“
  • Scarlett Johansson: „Jojo Rabbit“
  • Florence Pugh: „Little Women“

Bestes adaptiertes Drehbuch

  • Taika Waititi: „Jojo Rabbit“ – SIEGER
  • Steven Zaillian: „The Irishman“
  • Todd Phillips und Scott Silver: „Joker“
  • Greta Gerwig: „Little Women“
  • Anthony McCarten: „Die zwei Päpste“ (The Two Popes)

Bestes Originaldrehbuch

  • Bong Joon-ho und Han Jin-won: „Parasite“ – SIEGER
  • Noah Baumbach: „Marriage Story“
  • Rian Johnson: „Knives Out – Mord ist Familiensache“
  • Sam Mendes und Krysty Wilson-Cairns: „1917“
  • Quentin Tarantino: „Once Upon a Time in Hollywood“

Beste Kamera

  • Roger Deakins: „1917“ – SIEGER
  • Jarin Blaschke: „Der Leuchtturm“ (The Lighthouse)
  • Rodrigo Prieto: „The Irishman“
  • Robert Richardson: „Once Upon a Time in Hollywood“
  • Lawrence Sher: „Joker“

Bestes Szenenbild

  • Barbara Ling und Nancy Haigh: „Once Upon a Time in Hollywood“ – SIEGER
  • Bob Shaw und Regina Graves: „The Irishman“
  • Ra Vincent und Nora Sopková: „Jojo Rabbit“
  • Dennis Gassner und Lee Sandales: „1917“
  • Lee Ha-joon und Cho Won-woo: „Parasite“

Bestes Kostümdesign

  • Jacqueline Durran: „Little Women“ – SIEGER
  • Sandy Powell und Christopher Peterson: „The Irishman“
  • Mayes C. Rubeo: „Jojo Rabbit“
  • Mark Bridges: „Joker“
  • Arianne Phillips: „Once Upon a Time in Hollywood“

Beste Filmmusik

  • Hildur Guðnadóttir: „Joker“ – SIEGERIN
  • Alexandre Desplat: „Little Women“
  • Randy Newman: „Marriage Story“
  • Thomas Newman: „1917“
  • John Williams: „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“

Bester Filmsong

  • „(I’m Gonna) Love Me Again“ aus „Rocketman“ – Musik: Elton John, Text: Bernie Taupin – SIEGER
  • „I Can’t Let You Throw Yourself Away“ aus „Toy Story 4“ – Musik und Text: Randy Newman
  • „I’m Standing with You“ aus „Breakthrough – Zurück ins Leben“ – Musik und Text: Diane Warren
  • „Into the Unknown“ aus „Die Eiskönigin II“ (Frozen II) – Musik und Text: Kristen Anderson-Lopez und Robert Lopez
  • „Stand Up“ aus „Harriet“ – Musik und Text: Joshuah Brian Campbell und Cynthia Erivo

Bestes Make-up und beste Frisuren

  • Vivian Baker, Kazu Hiro und Anne Morgan: „Bombshell – Das Ende des Schweigens“ – SIEGER
  • Nicole Ledermann und Kay Georgiou: „Joker“
  • Jeremy Woodhead: „Judy“
  • Paul Gooch, Arjen Tuiten und David White: „Maleficent: Mächte der Finsternis“
  • Tristan Versluis, Naomi Donne und Rebecca Cole: „1917“

Bester Schnitt

  • Andrew Buckland und Michael McCusker: „Ford vs Ferrari: Le Mans 66“ – SIEGER
  • Thelma Schoonmaker: „The Irishman“
  • Tom Eagles: „Jojo Rabbit“
  • Jeff Groth: „Joker“
  • Yang Jin-mo: „Parasite“

Bester Ton

  • Mark Taylor und Stuart Wilson: „1917“ – SIEGER
  • Gary Rydstrom, Tom Johnson und Mark Ulano: „Ad Astra – Zu den Sternen“
  • Paul Massey, David Giammarco und Steve A. Morrow: „Ford vs. Ferrari: Le Mans 66“
  • Tom Ozanich, Dean A. Zupancic und Tod A. Maitland: „Joker“
  • Michael Minkler, Christian P. Minkler und Mark Ulano: „Once Upon a Time in Hollywood“

Bester Tonschnitt

  • Donald Sylvester: „Ford vs Ferrari: Le Mans 66“ – SIEGER
  • Oliver Tarney und Rachael Tate: „1917“
  • Alan Robert Murray: „Joker“
  • Wylie Stateman: „Once Upon a Time in Hollywood“
  • Matthew Wood und David Acord: „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“

Beste visuelle Effekte

  • Guillaume Rocheron, Greg Butler und Dominic Tuohy: „1917“ – SIEGER
  • Dan DeLeeuw, Russell Earl, Matt Aitken und Dan Sudick: „Avengers: Endgame“
  • Pablo Helman, Leandro Estebecorena, Nelson Sepulveda-Fauser und Stephane Grabli: „The Irishman“
  • Robert Legato, Adam Valdez, Andrew R. Jones und Elliot Newman: „Der König der Löwen“
  • Roger Guyett, Neal Scanlan, Patrick Tubach und Dominic Tuohy: „Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers“

Bester Animationsfilm

  • A Toy Story 4“: Josh Cooley, Mark Nielsen und Jonas Rivera – SIEGER
  • „Drachenzähmen leicht gemacht 3: Die geheime Welt“: Dean DeBlois, Brad Lewis und Bonnie Arnold
  • „Ich habe meinen Körper verloren“: Jérémy Clapin und Marc du Pontavice
  • „Klaus“: Sergio Pablos, Jinko Gotoh und Marisa Román
  • „Mister Link – Ein fellig verrücktes Abenteuer“: Chris Butler, Arianne Sutner und Travis Knight

Bester animierter Kurzfilm

  • „Hair Love“: Matthew A. Cherry und Karen Rupert Toliver – SIEGER
  • „Dcera“ Daria Kashcheeva
  • „Kitbull“ Rosana Sullivan und Kathryn Hendrickson
  • „Mémorable“ Bruno Collet und Jean-François Le Corre
  • „Sister“ Siqi Song

Bester Kurzfilm

  • „The Neighbors’ Window“: Marshall Curry – SIEGER
  • „Brotherhood“: Meryam Joobeur und Maria Gracia Turgeon
  • „Nefta Football Club“: Yves Piat und Damien Megherbi
  • „Saria“ Bryan Buckley und Matt Lefebvre
  • „Une sœur“: Delphine Girard

Bester Dokumentarfilm

  • „American Factory“: Steven Bognar, Julia Reichert und Jeff Reichert – SIEGER
  • „The Cave“: Feras Fayyad, Kirstine Barfod und Sigrid Dyekjær
  • „Am Rande der Demokratie“: Petra Costa, Joanna Natasegara, Shane Boris und Tiago Pavan
  • „Für Sama“ Waad al-Kateab und Edward Watts
  • „Land des Honigs“ Ljubomir Stefanov, Tamara Kotevska und Atanas Georgiev

Bester Dokumentar-Kurzfilm

  • „Learning to Skateboard in a Warzone (If You’re a Girl)“ – Carol Dysinger und Elena Andreicheva – SIEGER
  • „In the Absence“: Yi Seung-jun und Gary Byung-Seok Kam
  • „Vom Leben überholt“: John Haptas und Kristine Samuelson
  • „St. Louis Superman“: Smriti Mundhra und Sami Khan
  • „Walk Run Cha-Cha“: Laura Nix und Colette Sandstedt

Bester internationaler Film

  • „Parasite“, Südkorea – Regie: Bong Joon-ho – SIEGER
  • „Corpus Christi“, Polen – Regie: Jan Komasa
  • „Land des Honigs“, Nordmazedonien – Regie: Tamara Kotevska, Ljubomir Stefanov
  • „Leid und Herrlichkeit“, Spanien – Regie: Pedro Almodóvar
  • „Die Wütenden“ (Les Misérables), Frankreich – Regie: Ladj Ly

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Gisaengchung (Englisch: Parasite; Bong Joon-ho)
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