Wien

Architektur-Aufreger: Im tiefsten Meidling

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Wo ein Bezirk nicht mehr tiefer wird, im Wien-Tal, versucht die Architektur das Niveau noch zu drücken.

Meidling muss man jetzt auch nicht unbedingt sein, dachten sich früher andere Bezirke. Dabei ist Meidling inzwischen der Idealbezirk. Man hat zwei Fluchtwege aus der Stadt gleichzeitig, die Westausfahrt und den Weg über Altmannsdorf nach Süden. Und man hat: diese Topographie. Unvergleichlich spektakulär neigt sich fast ein ganzer Bezirk dem Einschnitt des Wientals zu. Kein Wunder, dass Meidling eine „Rodelstraße“ hat, ein Konzept aus Zeiten, als „Winter“ auch noch ein Konzept war. Die Meidlinger Hauptstraße war lange für alle, die im 23. Bezirk wohnten auch schon fast die 5th Avenue. Der Hauch von Großstadt, von der man wusste: Mehr als einen Hauch muss man auch nicht haben. Dort prangt noch stolz das „Niedermeyer“ Logo an der Feuermauer, ein Elektronik-Handelsunternehmen, das spätestens 2010 Geschichte war. Und ähnliche Karrieren scheinen gerade in Meidling die meisten Häuser zu machen:  Sie werden Geschichte. Denn Meidling reißt sich selbst ab. Die Immobilienfirmen und Abrissunternehmen helfen dem Bezirk natürlich tatkräftig dabei, nicht mehr das zu sein, was er mal war. Es gibt einfach zu viele Orte mit Geschichte und Leben, an die man seine Neubau-Projekte thematisch aufhängen kann, weil die eigenen Ideen als Aufhänger nicht genügen. „Wohnen am Meidlinger Markt“ etwa. Oder „Wohnen am Theresienbadpark“.

Die Kultur des Abrisses hat hier eigentlich schon begonnen, als man die Otto-Wagner U-Bahnstation unten im Wien-Tal demolierte, in den späten 1960er Jahren, natürlich noch als sie eine Stadtbahn-Station war. Man dachte, dass ein Parkhaus mit Büros drumherum und ein paar Pizza-Standln darunter eine bessere Idee wäre. So begann die Karriere des Wien-Tals als Tal der architektonischen Tiefpunkte. Und so ähnlich, wie wenn jemand als erster sein Mistsackerl vor die Tür stellt oder den Kühlschrank in den Waldbach kippt, andere machen's nach. Die Buwog hatte vor ein paar Jahren in der Nähe mit den „City Appartments an der Wien“ architektonisch auch nicht mehr zu sagen als: „Ok, wir sind jetzt auch da“. Und wir sehen auch so aus, als wäre uns das ziemlich wurscht, wo wir sind. Daneben wurde nebenbei eine Brache zur beinahe berühmtesten von Wien kultiviert. Die Komet-Gründe, direkt am U-Bahn Ausgang gelegen. Eine Brache, die als Parkplatz diente. Alles, was jetzt kommt, scheint allerdings ästhetisch keine Verbesserung zu sein zum derzeitigen Zustand „Brache mit Autos darauf“. Es ist durchgesickert in manchen Medien: Das „Vio Plaza“ wird gebaut. Die übliche Büro-Shopping-Mischung. Als Versprechen, zumindest deuten die Bilder des Projekts es an, dem Wien-Tal endgültig die Schleusen der architektonischen Beliebigkeit zu öffnen.

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