Oscars 2020

Was man über die Oscar-Academy wissen muss

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FILES-US-ENTERTAINMENT-FILM-OSCARS-HOSTAPA/AFP/GABRIEL BOUYS
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Zu weiß, zu männlich, zu selbstverliebt? Wer die Debatten, die jede Oscar-Verleihung begleiten, verstehen will, muss einen Blick auf die Academy werfen: Hier ist Hollywoods Elite unter sich.

Die Worte auf der Einladung klangen verführerisch. Am 11. Mai 1927 lud die frisch gegründete Academy of Motion Picture Arts and Sciences 300 Männer und Frauen aus der Filmindustrie zu einem Festbankett in das luxuriöse Biltmore Hotel in Los Angeles. Es galt, Mitglieder anzuwerben. Eine Broschüre lockte mit den Vorteilen, die es hätte, „wenn wir uns selbstlos zu einer großen konzertierten Bewegung zusammenschließen“: Die Academy solle „Harmonie und Solidarität“ in der Branche fördern und zum Fortschritt der Filmkunst beitragen. Der Abend war ein Erfolg. Von den 300 Gästen zahlten 231 direkt ihren Mitgliedsbeitrag ein.

So begann der Aufstieg eines Hollywood-Verbands, der die Filmindustrie bis heute prägt – und der regelmäßig in der Kritik steht. Von Solidarität und Fortschritt ist in heutigen Kommentaren über die Academy wenig zu lesen. Das Gremium, das heuer bereits zum 92. Mal die Oscars verleiht, repräsentiere nur einen kleinen, privilegierten Teil der Filmindustrie, lautet die gängige Kritik, es prämiere am liebsten Filme, die im eigenen Dunstkreis spielen (tatsächlich haben Filme über das Showbusiness traditionell gute Oscar-Chancen) – und, der größte Vorwurf: Es richte seinen Blick vorwiegend auf die Leistungen weißer, männlicher Filmemacher.

Beispiele für dieses Ungleichgewicht gibt es genug: Erst fünf Mal wurde in der gesamten Oscar-Geschichte eine Frau in der Regie-Kategorie nominiert (bei 444 Nominierungen für Männer), erst einmal gewann eine Regisseurin („Kathryn Bigelow für „The Hurt Locker“). Heuer sind von zwanzig nominierten Schauspielern 19 weiß – für viele Beobachter ein Zeichen, dass die Academy noch immer nicht in der Gegenwart angekommen sei.

Ein erlesener Kreis

Die Academy – das ist freilich keine einstimmige Instanz, die jedes Jahr willkürlich ihre Lieblingsfilme aussucht. Wer die Debatten um die Oscars verstehen will, muss einen genaueren Blick auf die Preisjury werfen: Aus rund 8500 Mitgliedern besteht diese. Davon sind rund 84 Prozent weiß und 68 Prozent männlich – ein Anteil, der sich bereits verkleinert hat, seit sich die Academy 2016, nachdem zum zweiten Mal in Folge kein einziger dunkelhäutiger Schauspieler nominiert war, ein Reformprogramm verordnet hat.

Die Presse / GK

Bewerben kann sich freilich nicht jeder: In Betracht kommt, wer von zwei Mitgliedern vorgeschlagen wird oder sich durch eine Nominierung als würdig erweist. Durch dieses System kann sich die Academy trotz ihrer vielen Mitglieder als eine Art erlesener Kreis präsentieren: Wer es geschafft hat, darf mitentscheiden, wer es als nächstes schafft. Hier ist die Elite der Branche unter sich.

Das war ganz die Idee der Gründer, allen voran Louis B. Mayer, Studioboss von Metro-Goldwyn-Mayer. Um eine Preisverleihung ging es beim konstituierenden Dinner 1927 nur am Rande. Vordergründig sollte die Academy den Filmschaffenden helfen, sich gegen „unfaire Attacken“ zu wehren, und das Image der Branche verbessern: ein PR-Instrument gegen die Kritik christlicher Gruppen, die vor einer Verrohung der Jugend durch Hollywood-Filme warnten.

Besser als eine Gewerkschaft?

Tatsächlich orten Hollywood-Historiker auch andere Intentionen. In einer Zeit, in der in der Filmbranche immer mehr Gewerkschaften gebildet wurden, sahen die Produzenten der großen Studios in der Academy eine Möglichkeit, arbeitsrechtliche Konflikte nach ihren eigenen Regeln auszutragen: Hier waren zwar Regisseure, Autoren, Schauspieler und Techniker in einem Verband vereint – das Sagen hatten aber die Studio-Bosse.

Bei den ersten Oscar-Verleihungen feierte sich die Academy vorwiegend selbst: „Es war eine kleine Gruppe, die zusammenkam, um sich auf die Schulter zu klopfen“, sagte Janet Gaynor, die bei der allerersten Gala 1929 als beste Schauspielerin ausgezeichnet wurde. Academy-Gründungsmitglied und Szenenbild-Legende Cedric Gibbons, der die Oscar-Statuette entworfen hatte, gewann selbst insgesamt elf davon. Immer wieder reagierte die Academy auf Kritik, öffnete sich für neue Mitglieder, passte ihr Regelwerk an.

Derzeit sind die Mitglieder in 17 Berufsgruppen eingeteilt – etwa Schauspiel, Kostümdesign, Visual Effects. In der Nominierungsphase wählen sie ihre Kandidaten für ihr jeweiliges Gewerk: Schauspieler nominieren Schauspieler, Drehbuchautoren nominieren Drehbuchautoren. Aus den so ermittelten Nominierungen wählen dann alle Academy-Mitglieder die jeweiligen Sieger.

"Keine Zeit, Filme zu sehen"

Dabei geht es durchaus menschlich zu – und nicht immer ganz professionell, wie eine kleine Umfrage der Webseite „Next Best Picture“ zeigt. Filmleute aus technischen Berufen wurden gefragt, für wen sie heuer gestimmt haben. Einer sagte, er habe weder „Joker“, noch „The Irishman“ gesehen und habe es auch nicht vor: „Ich habe keine Zeit dafür und ich mag das Gefühl nicht, das solche Filme in mir auslösen.“ In den sozialen Medien heizte das die Kritik an der Academy gleich weiter ein: „This is why the academy is a mess“, schrieb ein User. Vielleicht zeigt es vielmehr, dass man die Oscars nicht allzu ernst nehmen sollte.

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