Bachmannpreis: Aleks Scholz überzeugt die Jury

Bachmannpreis Aleks Scholz kommt
Bachmannpreis Aleks Scholz kommt(c) bachmannpreis.eu (Puch Johannes)
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Kommt nach Kathrin Passig der nächste Preisträger vom Internet-Portal "Riesenmaschine"? Aleks Scholz gilt jedenfalls als ein Favorit. Viel Kritik gab es für zwei Teilnehmer aus Österreich.

Nach den fünf Autorenauftritten am zweiten Tag des Wettlesens um den 34. Ingeborg-Bachmann-Preis im Klagenfurter ORF-Theater hat sich am Freitag der Deutsche Aleks Scholz als erster ernsthafter Kandidat um den Hauptpreis herausgestellt.

Die Österreicher wussten nicht wirklich zu überzeugen. Thomas Ballhausen musste für seine Erzählung "Cave canem" viel Kritik einstecken, Josef Kleindienst präsentierte die Blaupause einer Kriminalstory, die sich tatsächlich in Kärnten zugetragen hat.

"Google Earth": Blick auf Nachbarn

Scholz las "Google Earth", ein merkwürdig distanzierter Blick auf zwei Bewohner nebeneinanderliegender Häuser, von denen einer sich am Ende quasi selbst eingräbt. Der Autor widmet geologischen Vorgängen viel Platz, die Psychologie der Protagonisten scheint ihn weniger zu interessieren. Wie schon mehrfach beim diesjährigen Wettlesen darf ein psychisch gestörtes Familienmitglied nicht fehlen, diesmal in Form eines autistischen Sohnes, der seinen Vater in einem von ihm ausgehobenen Loch mit Erde zuschüttet.

Der Mehrheit der Jury gefiel die Erzählung, so wurde gar die Einführung der "Erzählperspektive Google Earth" beschworen. Paul Jandl sah "deutsche Vorgärten im Echoraum des Alls", Hubert Winkels lobte die "wissenschaftliche Perspektive", Karin Fleischanderl den "kalten Blick". Nicht in den Chor einstimmen mochte Juryvorsitzender Burkhard Spinnen: "Der Text ist makellos, und genau das ist das Problem." Denn Scholzens Erzählung sei "vollkommen herzlos". Nicht so begeistert war auch Meike Feßmann, der das Imaginäre fehlte.

Scholz arbeitet für das Internet-Portal "Riesenmaschine" - wie auch Kathrin Passig, der der Preis 2006 zugesprochen wurde. 

Viel Kritik für Österreicher Ballhausen

"Ein bisschen Kubrick, ein bisschen Ransmayr, in keiner Weise originell", lautete Feßmanns Verdikt zur Endzeitstimmungs-Geschichte von Ballhausen. Dessen Ich-Erzählung über einen Schriftsteller, der zu einem Maskenball geht und dort eine Frau trifft, mit der er - gemeinsam mit anderen Gästen - in einem leeren Haus und im Bett landet, heimste viel Kritik und nicht sehr viel Lob ein. Fleischanderl gefiel, dass er zwischen Realität und einer "mythisierten, idealisierten Vergangenheit" changiere, Jandl sah hingegen nur Leere.

Schon mehr Freude hatten die Juroren mit Max Scharnigg. In dessen Roman-Anfang "Die Besteigung der Eiger-Nordwand unter einer Treppe" beschreibt er einen schrägen Charakter, der wochenlang im Stiegenhaus seines Wohnhauses unter dem Treppenabsatz verbringt. Dort "schreibt" er - wenn auch nur in seinem Kopf - eine Chronologie der Erstbesteigung der Eiger-Nordwand und wird schließlich von einem Nachbarn zu Paprikahendl eingeladen. Spinnen zog einen Vergleich mit Franz Kafka in einem Text großer Verzweiflung, was allerdings Hildegard Keller maßlos überzogen fand.

Trostloses von Judith Zander

Judith Zanders Romanauszug "Dinge, die wir heute sagten", erzählt von einer 16-Jährigen im Osten Deutschlands, die nach einem Abenteuer mit einem jungen Burschen schwanger wird. Die Protagonistin Ingrid beginnt als Schwangere eine Lehre, bekommt ihr Kind, lehnt es aber in Wahrheit völlig ab. Die Trostlosigkeit der Atmosphäre färbte für Alain Claude Sulzer auch auf Vortrag und Rezeption ab. Feßmann fand "schöne Bilder", Fleischanderl vermisste das "Feuer". Keller und Jandl verteidigten den Text.

Zum Abschluss gab es den Auftritt des Kärntners Josef Kleindienst. Dessen Geschichte ist faktenbasiert, literarisch verarbeitet ist der Kriminalfall nicht wirklich, abgesehen von den Dialogen, die eingebaut sind. Der Handlungsablauf deckt sich völlig mit der Realität, die aus Gründen des Opferschutzes nicht nacherzählt wird.

Wahre Geschichte statt Literatur

Fleischanderl, die Kleindienst vorgeschlagen hatte - nicht wissend, dass der Text aus der Realität schöpft - spürte Beklemmung und sah dies als "Wohltat", Feßmann urteilte: "Dilettantisch". Winkels kritisierte sprachliche Mängel und Jandl fragte, warum dieses Geschehen in die Literatur gehoben werde. Über den realen Hintergrund wurde nicht gesprochen.

Das Wettlesen wird am Samstag mit Peter Wawerzinek fortgesetzt. Nach ihm sind Iris Schmidt und Christian Fries an der Reihe. Den Abschluss macht die Bludenzerin Verena Roßbacher. Am Sonntag ab 11.00 Uhr erfolgt die Ermittlung der Preisträger.

(APA)

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