Der renommierte Parteienforscher Oskar Niedermayer über das Beben im „Kanzlerwahlverein“ CDU, die Chancen von Merz und Laschet, den „Linksruck“ unter Merkel und die Gefahr einer Selbstzerfleischung der Partei.
Berlin. Am Tag eins nach dem CDU-Beben, also nach dem Verzicht von Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) auf eine Kanzlerkandidatur und mittelfristig auch den Parteivorsitz, gibt es schon wieder Streit in der Union. Diesmal über den weiteren Fahrplan. Denn nach dem Willen von AKK soll der nächste Parteichef und Kanzlerkandidat erst im Dezember gekrönt werden. „Abwegig“ nennt man das in der Schwesterpartei CSU. Einen so langen „Schönheitswettbewerb“ könne die CDU nicht gebrauchen, findet CSU-Chef Markus Söder. Er selbst will nicht Kanzlerkandidat von CDU/CSU werden. Zumindest behauptet er das.
Und auch in der CDU wagte sich zunächst keiner der drei weiteren möglichen Anwärter aus der Deckung, also weder die beiden Konservativen, Friedrich Merz und Gesundheitsminister Jens Spahn, noch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet, der zum Merkel-Lager zählt. Merz soll laut „Focus“ aber hinter den Kulissen erste Gespräche mit Spahn und Laschet geführt haben. Und aus Sicht der Wähler gibt es einen Favoriten, wie Parteienforscher Oskar Niedermayer erklärt.
Die Presse: Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel meinte zum CDU-Beben: „Wir erleben das Ende der zweiten großen Volkspartei in Deutschland.“ Sehen Sie das auch so?
Oskar Niedermayer: Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, falls sich die CDU jetzt ein dreiviertel Jahr selbst zerfleischen sollte. In diesem Machtkampf geht es ja nicht nur um Personen, sondern auch um Richtungen.
Wie lässt sich denn dieser Richtungsstreit zwischen Konservativen und Verfechtern des Merkel-Kurses lösen?