Der ökonomische Blick

Was bringen Steuern auf ungesunde Lebensmittel wirklich?

Peter Kufner
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Jeden Montag präsentiert die „Nationalökonomische Gesellschaft“ in Kooperation mit der „Presse“ aktuelle Themen aus der Sicht von Ökonomen. Heute: Eva Six über Kostenwahrheit in der Gesundheitspolitik.

Der übermäßige Konsum von Tabak, Alkohol und "ungesunden" Lebensmitteln mit hohem Zucker-, Salz- oder Fettgehalt ist verantwortlich für eine Vielzahl an Krankheiten, wie Typ-2-Diabetes, kardiovaskuläre Krankheiten, bestimmte Krebsarten und Atemwegserkrankungen, welche laut der Weltgesundheitsorganisation zu den häufigsten Todesursachen der Welt zählen. Diese Krankheiten führen zu persönlichem Leid für die Betroffenen, aber auch zu immensen Kosten für die Gesellschaft in Form von Erwerbsausfällen und andererseits durch steigende Kosten im Gesundheits- und Pflegebereich. Deshalb haben eine Reihe von Ländern, zusätzlich zu den "traditionellen" Steuern auf Tabak und Alkohol, Lenkungssteuern auf ungesunde Lebensmittel eingeführt.

Die verhältnismäßig billigen Preise von ungesunden Produkten spiegeln oftmals nicht die Kosten wider, die sie langfristig verursachen. Eine Erhöhung der Preise, etwa durch die Einführung von zusätzlichen Steuern, könnte "Kostenwahrheit" schaffen, um gesündere Alternativen attraktiver zu machen. Zudem werden durch solche Maßnahmen auch die Staatseinnahmen erhöht, die wiederum zur Förderung eines gesunden Lebensstils, etwa in Form von Beratungsangeboten oder zur Prävention bestimmter Krankheiten, herangezogen werden können.

Jeden Montag gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften.

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Dabei ist zu beachten, dass sich Preissteigerungen bei verschiedenen Konsumgütern unterschiedlich stark auf die Nachfrage auswirken. Bei Alkohol- und Tabaksteuern reagieren KonsumentInnen (aufgrund der Wirkung dieser Produkte und mangels gesünderer Alternativen) tendenziell nur wenig auf Preissteigerungen, wodurch relativ hohe Steuereinnahmen generiert werden können. Nichtsdestotrotz ist es möglich, durch signifikante Preiserhöhungen Nachfragerückgänge zu erzielen - insbesondere bei jungen Menschen und Personen mit niedrigem Einkommen. Bei Steuern auf ungesunde Nahrungsmittel oder bestimmte Inhaltsstoffe kann man hingegen einen breiteren Lenkungseffekt erwarten, da hier den KonsumentInnen mehr Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen. International finden derzeit insbesondere Steuern auf Zucker oder stark zuckerhaltige Produkte (z. B. Softdrinks) Beachtung, da sich eine Vielzahl an Ländern mit einer rasant steigenden Anzahl an stark übergewichtigen Personen konfrontiert sehen. So wurden bereits in einigen Ländern solche Steuern eingeführt, etwa in Großbritannien, Irland, Frankreich, Ungarn, Mexiko und in einigen Bundesstaaten der USA.

Verringerter Konsum

Erste wissenschaftliche Ergebnisse zeigen positive Effekte, also einen verringerten Konsum der besteuerten Produkte. Allerdings haben einige Studien am Beispiel von Steuern auf Softdrinks gezeigt, dass zumindest Preissteigerungen von etwa 20 % nötig sind, um eindeutige Effekte auf das Konsumverhalten zu erreichen. An längerfristigen Studien in Hinblick auf die gesundheitlichen Effekte wird derzeit noch gearbeitet, jedoch deutet einiges auf eine Reduktion der Anzahl an stark übergewichtigen Personen und der damit verbundenen Krankheiten hin. Ein zusätzlicher Anreiz, der durch gesundheitspolitische Steuern gesetzt werden kann, ist die Veränderung der Rezeptur von Nahrungsmitteln durch die Industrie, da auf diesem Weg starke Preissteigerungen und somit Nachfragerückgänge bis zu einem gewissen Grad vermieden werden können. So wurde in Großbritannien der Zuckergehalt von Softdrinks durch deren Besteuerung maßgeblich reduziert, und auch in Ungarn wurden die Rezepturen der betroffenen Lebensmittel größtenteils an die vorgegeben Grenzwerte für Zucker, Salz und Fett angepasst oder zumindest angenähert.


Trotz dieser möglichen positiven Effekte von gesundheitspolitischen Steuern auf die Gesundheit der Konsumenten ist einiges bei einer Implementierung zu beachten. Aus gesundheitspolitischer Sicht wäre eine Verbrauchssteuer auf bestimmte Inhaltsstoffe, wie Zucker, am treffsichersten. Doch dabei ist der zusätzliche administrative Aufwand zu beachten, da jedes Produkt je nach Inhaltsstoffen unterschiedlich besteuert werden muss und eine jährliche Anpassung an Einkommenszuwächse und Inflation im Land nötig ist.

Steuern auf bestimmte Lebensmittel oder Nahrungsbestandteile können zur Folge haben, dass die betreffenden Inhaltsstoffe durch teils problematische Alternativen, wie etwa Fett oder Süßstoff, ersetzt werden, was wiederum zu nicht erwünschten gesundheitspolitischen Resultaten führen kann. Daher sollten die eingesetzten Steuerinstrumente laufend evaluiert und, wenn nötig, angepasst werden. Zusätzlich bedarf es einer klaren Kennzeichnung der Nährwertangaben (insbesondere des Zucker-, Fett-, Salz- und allgemeinen Kaloriengehalts) - z. B. in Form einer sogenannten "Lebensmittelampel". Dadurch erhalten die Konsumentinnen bereits auf den ersten Blick leicht verständliche Informationen über die enthaltenen Inhaltsstoffe und können so besser informierte Entscheidungen treffen.

Niedrigverdiener sehr belastet

Eines der größten Probleme bei der Einführung neuer Konsumsteuern ist, dass Personen mit niedrigem Einkommen überproportional belastet werden, da sie einen relativ großen Teil ihres Einkommens für Lebensmittel aufwenden müssen. Dafür können auch stärkere Verhaltensänderungen erwartet werden. Da diese Personengruppe besonders oft von starkem Übergewicht betroffen ist, sind daher langfristig positive Effekte in Hinblick auf die damit verbundenen Krankheiten und Kosten zu erwarten. Dennoch sollten komplementäre Politikmaßnahmen, wie etwa die Subventionierung von gesunden Lebensmitteln oder die Erweiterung von kostenfreien und langfristigen Beratungsprogrammen, gesetzt werden, um die regressive Wirkung solcher Steuerinstrumente abzufedern.

Ein Blick auf die steigende Zahl stark übergewichtiger Personen, aber auch die Bedeutung des Alkohol- und Tabakkonsums für die Entstehung einer Vielzahl an Krankheiten zeigt, dass Gegenmaßnahmen diskutiert gehören. Konsumsteuern auf ungesunde Produkte oder bestimmte Inhaltsstoffe können dabei sinnvolle Anreize setzen, sind jedoch nicht als alleinige Lösung zu verstehen. Einen effektiven Beitrag können sie vielmehr als Teil eines ganzheitlichen Konzeptes, bestehend aus einem umfassenden Instrumentenmix, leisten.

Die Autorin

Eva Six, MSc. ist Ökonomin am Institut für Verteilungsfragen (INEQ) an der Wirtschaftsuniversität Wien und war zuvor am Institut für Höhere Studien im Bereich der Gesundheitsökonomie und –politik tätig. Sie beschäftigt sich mit Steuersimulationen, gesundheitlichen Ungleichheiten und dem Thema der sozialen Mobilität.

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