"Ich laufe nicht davon, ich vertraue der unabhängigen Justiz“, verlautete Italiens Ex-Innenminister. Er muss sich in Catania wegen Amtsmissbrauchs und Freiheitsberaubung im Fall eines NGO-Schiffs verantworten.
Der italienische Senat hat am Mittwoch die Aufhebung der Immunität des Chefs der rechten Lega, Matteo Salvini, beschlossen. Ein Gericht in Catania beschuldigt Salvini wegen seiner Flüchtlingspolitik in seiner Zeit als Innenminister (2018-2019) des Amtsmissbrauchs und der Freiheitsberaubung. Die Lega-Senatoren beteiligten sich nicht an der Abstimmung und verließen den Plenarsaal. Somit wurde der Weg für die Aufhebung von Salvinis Immunität geebnet. Der heute 46-jährige Lega-Chef ist seit 2018 Mitglied des Senats. "Ich wusste, dass es zu diesem Ergebnis kommen würde. Ich bin absolut ruhig und stolz über das, was ich als Innenminister getan habe. Ich werde dasselbe tun, sobald ich wieder regieren werde", kommentierte Salvini.
In dem Fall geht es um 116 Flüchtlinge, die Salvini im Juli vergangenen Jahres an Bord des Schiffs "Gregoretti" der italienischen Küstenwache de facto festgesetzt hatte. Salvini, der dem Senat angehört und mit seiner rechtspopulistischen Partei Lega einen harten Kurs in der Flüchtlingspolitik verfolgt, hatte dem Schiff über mehrere Tage die Einfahrt in einen italienischen Hafen verweigert.
Das Abstimmungsergebnis gegen Salvini war erwartet worden. "Ich laufe nicht davon, ich vertraue der unabhängigen Justiz. Sie wird einsehen, dass ich gehandelt habe, um die italienischen Außengrenzen zu verteidigen, wie dies auch die Verfassung vorsieht", hatte Salvini zuvor verkündet.
Salvini will Verantwortung nicht alleine getragen haben
Der 46-jährige Salvini behauptete, dass er die Entscheidung, die Migranten nicht an Land zu lassen, um die EU zu einem Umverteilungssystem zu zwingen, im Einklang mit dem Rest der Regierung getroffen habe. Daher müsste auch gegen den damaligen und derzeitigen Premier Giuseppe Conte Anklage erhoben werden, meinte er.
Salvini muss sich nun vor einem Gericht im sizilianischen Catania verantworten. Wegen Freiheitsberaubung könnten ihm bis zu 15 Jahre Haft drohen. Im Falle einer Verurteilung könnte der Chef der Lega zudem mit einer bis zu achtjährigen Sperre für politischen Aktivitäten belegt werden.
Nicht der einzige mögliche Prozess
Dem Ex-Innenminister drohen weitere Probleme mit der Justiz. Am 27. Februar stimmt die im Senat zuständige Kommission für die Aufhebung der Immunität Salvinis in Zusammenhang mit einem weiteren möglichen Verfahren wegen Freiheitsberaubung. Dabei geht es um das Rettungsschiff "Open Arms". Laut einem Gericht in Palermo habe Salvini das Schiff der spanischen Hilfsorganisation Proactiva Open Arms im August 2019 rund drei Wochen lang blockiert. Später durften die Menschen auf der süditalienischen Insel Lampedusa an Land gehen. Die Koalitionsregierung mit Salvini als Innenminister war im selben Monat zerbrochen.
Im März 2019 hatte der italienische Senat mehrheitlich einen Prozess gegen den Lega-Chef wegen des im Jahr zuvor blockierten Schiffs "Diciotti" abgelehnt. Damals war Salvini noch als Innenminister fest im Sattel. Die aktuelle Regierung in Rom aus Fünf-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten (PD) erteilte mehreren Schiffen zuletzt meist recht schnell eine Landegenehmigung.
(APA)