Der Kirchen-Chef kann sich nicht zu jenem Mut durchringen, den er von anderen fordert.
Die Verspätung war beträchtlich. Die Spannung ebenso. Nur war diese völlig unnötig, wie wir nun wissen. Papst Franziskus hat im Schreiben nach der Amazonien-Synode vom Herbst bekräftigt, was die Bischofsversammlung zu den Sünden an indigenen Völkern und an der Umwelt schon gesagt hat. Und was er selbst immer wieder als Anwalt aller Unterdrückten, Ausgebeuteten und als Kämpfer gegen jede Form des Kolonialismus sagt.
Für ein römisches Dokument neu ist nur das mehrmalige Zitieren typischerweise wenig theologieaffiner literarischer Werke. Und zu innerkirchlichen Themen, die in Europa bis zum Exzess auf und ab debattiert werden? Da schreibt der Papst fest, was seit Langem festgeschrieben ist – und das seit Jahrhunderten. Er spricht zwei Nein. Eines zur Öffnung des Priesteramts für Verheiratete, wenngleich er zum Thema schweigt. Es war von den einen erwartet, von den anderen (offenbar auch Benedikt XVI.) befürchtet worden, dass er eine Ausnahme für Amazonien gewährt – weil das die Synode wollte. Nein, kommt nicht.
Ein überraschend deutliches Nein spricht er auch zur Weihe von Frauen zu Diakoninnen. So progressiv der Papst (sozial-)politisch tickt, so konservativ ist er kirchenpolitisch. Er ist ein Zerrissener. Um ein Zerreißen der Kirche abzuwenden.
dietmar.neuwirth@diepresse.com
Gastkommentar zum Thema:
>>> Der Papst hat entschieden, nicht zu entscheiden