Architekturikonen

Luxuswohnen auf Zeit: Urlaub im Gesamtkunstwerk

Blick in das 1959 errichtete Barbie-Haus in Palm Springs.
Blick in das 1959 errichtete Barbie-Haus in Palm Springs.HomeAway
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Einmal im Barbie-Haus Limonade trinken? Man muss sich Luxus nicht immer gleich kaufen, um darin zu wohnen.

Sie sind spektakulär und schön, Zeugen ihrer Zeit und gebaute Kunst: Herausragende Architektur überdauert die Jahrhunderte und begeistert Besucher und Kritiker. Allein, vor der Entscheidung für den Kauf eines architektonischen Prachtstückes schrecken auch jene häufig zurück, die es sich leisten könnten. Zum einen aus schlicht monetären Gründen, denn in Sachen Wiederverkaufswert ist man darauf angewiesen, dass sich ein ebenso großer Liebhaber exakt dieser architektonischen Sprache findet, wie man es selbst ist. Und dann gibt es auch ganz praktische Wohnbedürfnisse, die in großen Entwürfen manchmal etwas zu kurz kommen. Davon konnte selbst ein Großmeister wie Mies van der Rohe ein Lied singen, dessen Bauherrin ihn für sein Farnsworth-House, das heute als Ikone der modernen Architektur gilt, vor Gericht zerrte. Das Haus sei durchsichtig wie ein Röntgenbild, klagte Edith Farnsworth über die mangelnde Privatsphäre – was in dem vollständig verglasten Objekt nicht völlig unerwartet gekommen sein kann – und zog nie wirklich ein. Wer solche Erweckungserlebnisse in den eigenen vier Wänden vermeiden und trotzdem das Wohngefühl in außergewöhnlicher Architektur erleben will, kann das dagegen deutlich risikoärmer tun: Zahlreiche Objekte aus den verschiedensten Epochen lassen sich nämlich einfach als Unterkünfte auf Zeit buchen.

Sicht aus dem 18. Stock der Elbphilharmonie.
Sicht aus dem 18. Stock der Elbphilharmonie.(c) Rudolf Schmutz

► Wohnen in der Elphi. Beispielsweise in neuesten Landmark-Projekten, wie der Elbphilharmonie in Hamburg. In dem gefeierten Gebäude an der Elbe ist ein Loft im 18. Stock zu mieten, in dem sich die Architektur von Pierre de Meuron und Jaques Herzog buchstäblich erleben lässt. Auf 132 Quadratmetern finden hier maximal vier Personen Platz, die unter anderem große Ausblicke genießen können: Durch die vielen kleinen Punkte und geschwungenen weißen Brüstungselemente, die die Fassade der Elphi – wie die Hamburger ihr Wahrzeichen nennen – prägen, lassen sich hier der Fluss und die Hafenlandschaft beobachten. Nur neun Stockwerke weiter unten befindet sich der Konzertsaal. Im Inneren wird das Minimalistic Loft, wie es mit vollem Namen heißt, diesem edelst gerecht: Materialien wie dunkles Parkett, Basaltstein, Stahl und gegossene Industrieglasflächen in den Schiebetüren sind als Reverenz an den Hafen gedacht, genau wie der freigestellte orangefarbene Küchenblock, der an einen Container erinnern soll. Das ausgesuchte Mobiliar besteht aus Designklassikern bis hin zum Eames Chair mit Elbblick. Das Farbkonzept unterstreicht das legendäre Hamburger Understatement. Vermittelt wird das Loft über urlaubsarchitektur.de, mit Preis auf Anfrage.

Donald Wexler war zu seiner Zeit ebenfalls ein Stararchitekt, der eine ganz Epoche prägte: Mitte des vergangenen Jahrhunderts baute der Amerikaner Ikonen im Mid-century-modern-Stil, die Hochburg seines Schaffens war Palm Springs. Der Ort in der kalifornischen Wüste ist bis heute ein Pilgerort für Architekturfans, hier reiht sich ein Klassiker an den anderen, finden sich 50er-Jahre-Schönheiten, deren Besitzer – anders als einst Edith Farnsworth - hervorragend mit den großen Glasfenstern leben konnten und sich mit weißen Mauern ihre Privatsphäre schufen.

Das einstige Haus der Familie Mattel war als Hommage an die Barbie-Puppe gedacht.
Das einstige Haus der Familie Mattel war als Hommage an die Barbie-Puppe gedacht.HomeAway

► 50er-Jahre in Palm Springs. Eines der berühmtesten Häuser von Wexler ist das sogenannte Barbie-Haus, das er 1959 für die Familie Mattel als Hommage an deren berühmteste Puppe entwarf. Bis heute ist der Anstrich in klassischem Barbie-Pink auf einigen der charakteristischen Betonwände im Inneren des Fünf-Zimmer-Hauses erhalten, wesentlich beeindruckender sind für Architekturliebhaber allerdings die berühmten Wexler'schen Dachlinien vor der Bergkulisse der Wüstenoase. Im Inneren findet sich viel spielerisch-exzentrisches Design mit Reminiszenzen an Barbie, ohne dabei aber schmerzhaft zu werden. Ein Highlight ist auch der Gartenbereich samt blitzblauem Pool und originalem Boccia-Platz – alles in retro-skurrilem Dekor. Vermittelt wird das Haus über www.homeaway.at zu einem Durchschnittspreis von 316 Euro pro Tag.

Das House for Essex ist ein Projekt des britischen Künstlers Grayson Perry mit den FAT-Architekten.
Das House for Essex ist ein Projekt des britischen Künstlers Grayson Perry mit den FAT-Architekten.living architecture

► Gesamtkunstwerk in Essex. Wer einmal nicht nur in einem architektonischem, sondern gleich in einem Gesamtkunstwerk wohnen möchte, kann das im britischen Essex tun – allerdings ist es hier mit einem schlichten Anmieten nicht getan. Das House for Essex ist ein Projekt des britischen Künstlers Grayson Perry und der FAT-Architekten, das in jeder Hinsicht herausragend ist. In der Tradition der kleinen Pilgerkapellen konzipiert, ist das Haus der Künstlerin Julie Cope gewidmet und laut FAT-Architekt Charles Holland „ein radikales Statement der Architektur und deren Fähigkeit zur Kommunikation und erzählerischen Kraft“. Was man dem Gebäude schon von Weitem ansieht: In seiner Form und Farbgebung erinnert das Äußere an eine Mischung aus Kirche und russischer Matrjoschka-Puppe. Im Inneren finden sich viel bunte Keramik und Wandkunst von Grayson Perry neben einem bunt gestalteten Kirchenraum, poppigen Installationen und – verhältnismäßig – gewöhnlichen Räumen wie Ess- und Schlafzimmer. Vergeben wird das Haus über www.living-architecture.co.uk, allerdings muss man dafür an einer der dreimal im Jahr stattfindenden Verlosungen teilnehmen.

Die preisgekrönte Villa Moon Shadow auf Koh Samui.
Die preisgekrönte Villa Moon Shadow auf Koh Samui.Airbnb

► Sritrakul-Pavilion in Thailand. Und wenn gelungene Architektur zwar geschätzt wird, im Urlaub aber auch noch andere Aspekte eine Rolle spielen, lohnt sich womöglich ein Blick auf eine Ferienvilla des thailändischen Architekten Bodin Sritrakul. Dessen Villa Moon Shadow auf Koh Samui hat 2013 den Property Award für die beste Architektur in Thailand gewonnen – was angesichts des Hauses wenig verwundert. Die Konstruktion der drei höhlenartigen Pavillons, die sich zu den großen Decks hin öffnen, zeigt, wie spektakulär moderne Thai-Architektur aussieht. Die sich im Inneren mit einer ruhigen Kombination aus weißen Wänden, Naturtönen und reduzierten Formen fortsetzt, die dem Sonnenlicht, den Ausblicken und den Blautönen des Meeres und des Infinity-Pools Bühne überlassen. Vermietet wird das Haus für bis zu acht Personen ab gut 1000 Euro pro Nacht über Airbnb.

(Die "Presse", Print-Ausgabe 15./16.2.2020)

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