Wenn sich die ÖVP so vor politischer Abhängigkeit der Justiz sorgt, warum lässt sie dann Vergleichbares auf einem anderen wichtigen Gebiet zu?
Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.
Dass die politischen Parteien ihre Finger in allen staatlichen oder staatsnahen Organen haben, die auch nur im Mindesten von irgendeinem Interesse sind, ist bekanntlich fest in der hiesigen Realverfassung verankert. Die jüngste, vom Bundeskanzler ausgelöste Diskussion um die Unabhängigkeit der Staatsanwälte von der Politik mutet daher ein wenig weltfremd an. Natürlich hat jede Partei ein Interesse daran, Leute ihres Vertrauens in diesen wichtigen Institutionen zu haben. Ob man das „Netzwerke“ nennt oder nicht, ist Geschmackssache. Aber anzunehmen, dass Anklagebehörden im politikfreien Raum agieren, ohne dass etwa einzelne Behördenvertreter nicht gelegentlich darüber nachdenken, welches Verhalten welche Auswirkungen auf ihre Karriere hat, ist überschaubar realistisch.
Mit Recht kann man einwenden, dass sich die diesbezüglichen Verhältnisse auf lange Sicht doch etwas verbessert haben; die Zeiten, in denen (sozialdemokratische) Ankläger „Die Suppe ist zu dünn“ befanden, wenn Genossen sich schwerer Straftaten bis hin zum Mord (Affäre Lucona etwa) schuldig gemacht hatten, sind glücklicherweise vorbei.