Stefan Kraft ist Doppelweltmeister, Tourneesieger, mit einem Flug auf 253,5 Meter sogar Weltrekordhalter – nur in Österreich hat der ÖSV-Adler noch nie gewonnen.
Bad Mitterndorf. Skifliegen auf dem Kulm ist immer ein Erlebnis. Extravagante Flüge, Weitenjagd, Partystimmung und die Hoffnung auf einen Heimsieg mobilisieren stets die Massen. Vor 70 Jahren gab es den Erstflug von diesem Bakken, Rudi Dietrich feierte den Sieg mit 103 Metern. In der Gegenwart locken freilich andere Distanzen, den Schanzenrekord hält der Slowene Peter Prevc mit 244 Metern. Ob diese Marke an diesem Wochenende fallen wird?
Mit Stefan Kraft ist jedenfalls der Weltrekordhalter am Start. 253,5 Meter weit ist der Pongauer, 26, schon geflogen. Er ist derzeit auch in Topform, kommt als Führender des Gesamtweltcups (1113 Punkte) im „Gelben Trikot“ zum Kulm, wo heute die Qualifikation und Samstag wie Sonntag (je 11 Uhr, live ORF1) die Bewerbe anstehen. Sein Vorhaben hat nur einen Haken: Bislang konnte der Doppelweltmeister von 2017 in der Heimat noch nie gewinnen.
Aber der Kulm dient zum „Einfliegen“ für die WM in Planica (19. März), und auch da will sich Kraft behaupten: „Ich muss schauen, wo ich stehe oder ob ich noch etwas machen muss. Manche können einfach besser fliegen.“
Auf dem Kulm war Kraft 2015 Zweiter hinter Severin Freund (GER). 2018 wurde er nur Neunter – ob er jetzt der stärksten Konkurrenz aus Norwegen (Weltmeister Daniel-André Tande, Marius Lindvik) davonfliegen kann? Die Gastgeber kommen neben Kraft, Philipp Aschenwald, Daniel Huber und Gregor Schlierenzauer mit zwei Kulm-Debütanten in die Steiermark. Stefan Huber und Clemens Leitner, für den es überhaupt das erste Skifliegen wird, schnuppern erstmals Kulm-Atmosphäre.
Alle Vorspringer angemeldet
Skifliegen ist jedoch nicht nur spektakulär, sondern auch eine weitaus gefährlichere Disziplin als Skispringen mit ganz anderen Kräften. Es geht schneller, weiter, höher – nicht erst einmal gab es schwere Stürze auf dem Kulm. Während Thomas Morgenstern noch glimpflich davonkam, traf Vorspringer Lukas Müller 2016 das Schicksal weitaus härter.
Er erlitt eine inkomplette Querschnittlähmung, in der Folge entbrannte ein Rechtsstreit, ob es ein Arbeits- oder, wie der ÖSV meinte, nur ein Freizeitunfall war. Ersteres wurde 2019 vom VfGH erkannt, folglich müssen Vorspringer nach dem ASVG als Dienstnehmer angemeldet werden. Das ist auch jetzt beim Event in Bad Mitterndorf der Fall, der ÖSV hat reagiert. Müller sagt: „Wenn andere nun besser abgesichert sind, bekommt mein Unfall wenigstens Sinn.“ (fin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2020)