Künstliche Intelligenz

EU-Kommission will „Glasnost“ für Algorithmen

(c) APA/dpa/Axel Heimken (Axel Heimken)
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Die Brüsseler Behörde stellt kommende Woche ihre Pläne zur Regulierung von KI-Prozessen vor. Kommissarin Jourová fordert Einblick in Software, die für User autonom Entscheidungen trifft.

Brüssel. Das Verhältnis zwischen Technologiekonzernen und der Öffentlichkeit war in den vergangenen Jahren zugunsten Ersterer gewichtet. Die EU-Kommission will diesbezüglich für etwas mehr Gleichgewicht sorgen. In der kommenden Woche wird die Brüsseler Behörde ihre Vorstellungen zum Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) präzisieren. KI-Systeme kommen im Alltag immer häufiger zum Einsatz – bei Gesichtserkennung, maschinellem Lernen, selbstfahrenden Autos oder den automatischen Tipps und Empfehlungen, die Onlinekunden und Nutzer digitaler Netzwerke vom System erhalten.

Im Kern dieser „intelligenten“ Prozesse befinden sich Algorithmen, die große Datenmengen statistisch auswerten und aus ihnen Schlüsse ziehen. Wie genau diese mathematischen Anleitungen konzipiert sind, ist Betriebsgeheimnis ihrer Besitzer – also Facebook, Amazon, Google und Co. Geht es nach den Vorstellungen der Kommission, sollen diese „schwarzen Boxen“ in Zukunft weniger opak sein. „Wenn eine Blackbox Einfluss auf Ihr Leben hat, Sie aber keine Ahnung davon haben, was sich in ihrem Inneren befindet, dann sollten Sie die Gelegenheit dazu bekommen, Einsicht zu nehmen“, sagte Věra Jourová, die EU-Kommissarin für Transparenz und Verbraucherschutz, in einem Interview mit der „Financial Times“.

Die konkreten Pläne der Brüsseler Behörde sind noch nicht publik – was bis dato an die Öffentlichkeit gedrungen ist, deutet auf verpflichtende Transparenz hin – sozusagen ein „Glasnost“ für Algorithmen. Jourovás Ausführungen zufolge möchte die Kommission Internetunternehmen dazu verpflichten, unabhängigen Forschern und Prüfern Zugang zur Software zu verschaffen, die KI-Prozesse steuert – um beispielsweise Einsicht zu geben, nach welchen Kriterien Usern Inhalte im Internet empfohlen werden.

„Flexibel“ und „sensibel“

In dieselbe Richtung gehen in Deutschland die Empfehlungen der Datenethik-Kommission: In einem kürzlich veröffentlichten Gutachten spricht sich die Behörde für in fünf Stufen gestaffelte Auflagen aus: Jene KI-Systeme, von denen keine potenzielle Gefahr für Individuen und Gesellschaft ausgeht (Stufe 1), sollen weiter ohne Aufsicht Daten verarbeiten dürfen. Je größer der potenzielle Einfluss der Algorithmen auf Privatsphäre und Leben der User, desto intensiver die Überwachung und desto konkreter die Auflagen zur Einholung der Zustimmung der User.

Auf der Seite der IT-Firmen ist die Begeisterung enden wollend. Der Branchenverband Developers Alliance spricht sich in einem Brief an die EU-Kommission für „flexible Standards in Kooperation mit der Industrie“ aus. Die Union habe die Gelegenheit, sich als globales Vorbild für den Einsatz von KI zu etablieren, so Developers-Alliance-Vorstand Bruce Gustafson – und sollte diese Chance, so der unausgesprochene Nachsatz, nicht durch allzu penetrante Vorschriften gefährden. Auch Google-Chef Sundar Pichai spricht sich für „sensible Regulierung“ aus, die zwischen Chancen und „potenziellen Gefahren“ abwägt.

Abseits der Algorithmen macht sich Kommissarin Jourová für ein neues Regelwerk für politische Werbung im Netz stark. Konkret sollen Onlineplattformen zur Offenlegung der Auftraggeber der Inserate gezwungen werden. (la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2020)

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