Archäologie

40 Kilometer vom Steinbruch bis zum römischen Legionslager

Antike Zeugnisse in Wien: römische Artefakte in der U-Bahn-Station Rochusgasse.
Antike Zeugnisse in Wien: römische Artefakte in der U-Bahn-Station Rochusgasse. (c) Clemens Fabry/Die Presse (Clemens Fabry)
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Ein Forschungsprojekt untersucht die in Carnuntum und Vindobona verwendeten Steinmaterialien. In erster Linie wurdenLeithakalke für Hausbauten und Wehranlagen verwendet. Aber auch Marmor aus weit entfernten Regionen wurde herantransportiert.

Zuerst die Grabsteine, dann die Häuser, dann die Wehrbauten. Auf diese – etwas verkürzte – Formel lassen sich die Anfänge der Steinbauten aus der Römerzeit in Österreich reduzieren. Im Forschungsprojekt CSIR werden die römischen Steindenkmäler im Raum Carnuntum-Vindobona einer wissenschaftlichen Spurensuche unterzogen. In erster Linie geht es um die Herkunft und Beschaffenheit des Steinmaterials. Zudem erzählen die Grabstelen der römischen Soldaten über ihre Herkunft, über ihren Rang im Militär und oft auch über ihren Familienstand. Und Grabstelen sind in ausreichender Zahl in den ehemaligen Garnisonen und Städten der römischen Provinzen erhalten.

Bei der wissenschaftlichen Neubearbeitung von CSIR-Carnuntum (Corps Signorum Imperii Romani) handelt es sich um ein vom Wissenschaftsfonds FWF gefördertes interdisziplinäres Projekt, an dem neben der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) die TU Wien, die Uni Wien, die Geologische Bundesanstalt und das Wien-Museum beteiligt sind.

Die ersten Steinbauten sind erst ein halbes Jahrhundert nach dem Bau der römischen Legionslager an der Donau, also etwa 100 n. Chr., entstanden, so Projektleiterin Gabrielle Kremer (Institut für Kulturgeschichte der Antike, ÖAW). Carnuntum war mit geschätzten 50.000 Einwohnern in der Zivilstadt und 6000 Mann im Legionsbereich die bedeutendste Stadt auf dem Gebiet des heutigen Österreich. Für römische Soldaten und auch höhere Verwaltungsbeamte wurden Grabsteine gefertigt, wobei für das Material eigene Abbruchorte ausgekundschaftet wurden. In erster Linie bot sich der Leithakalk aus den nahen Hainburger Bergen und dem entfernteren Leithagebirge an. Erst in einer zweiten Etappe wurden Steinmaterialien für Häuser und Befestigungsmauern herangeschafft.

Die infrage kommenden Steinbrüche befanden sich in einer Entfernung von bis zu 40 Kilometern. Straßen hatten die Römer schon bei der Landnahme angelegt, nun entstand eine zusätzliche Infrastruktur. „Ein von einem Ochsen gezogener Karren konnte mit einer Last von etwa 800 kg in einer Stunde 2,5 Kilometer zurücklegen“, sagt Gabrielle Kremer. Die Forschungsleiterin, selbst Archäologin, lokalisiert nun mit ihrem Team die Abbruchstellen. Für Carnuntum wurden sechs Steinbruchregionen definiert, für Vindobona auch solche in Nußdorf, Heiligenstadt und Perchtoldsdorf. Eine hundertprozentige Zuordnung der Steine ist nicht immer möglich, da die Lagerstätten nach der Römerzeit weiter benutzt wurden.

Bei 83 Prozent der verwendeten Steine handelt es sich um den sogenannten Leithakalk, in geringerem Umfang wurden Wolfsthaler Oolith und für Vindobona quarzreiche Sandsteine aus der näheren Umgebung verarbeitet. Bei einem beträchtlichen Teil der geprüften Materialien handelt es sich um Marmor, der aus größeren Entfernungen, aus dem alpinen Raum, aber auch aus Kleinasien oder Griechenland geliefert wurde. Aus Marmor wurden beispielsweise Porträts und Ehrendenkmäler hergestellt. Im Rahmen der Arbeiten wurden auch „Fälschungen“ festgestellt, das sind im 19. Jahrhundert nachgebaute Teile bzw. ganze Monumente im römischen Stil, wie etwa der (allerdings nicht verheimlichte) Nachbau einer römischen Ruine im Schlosspark Schönbrunn.

Hinweise zur Kulturgeschichte

Mit der Steinverarbeitung war auch ein blühendes Steinmetzgewerbe verbunden. Ein weiteres Ziel des Forschungsprojekts ist es, durch die Vernetzung archäologischer und geologischer Datensammlungen und deren Auswertung Erkenntnisse zur Wirtschafts-, Siedlungs-, Kunst- und Religionsgeschichte der Region Carnuntum-Vindobona zu gewinnen.

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