Interview

Das unvorstellbare Gehirn

Die Dynamik des Hirns gleicht Millionen gekoppelter Pendel, so Singer.
Die Dynamik des Hirns gleicht Millionen gekoppelter Pendel, so Singer.(c) Caio Kauffmann
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Das menschliche Denkorgan ist noch längst nicht zur Gänze verstanden – seine Komplexität ist so unfassbar wie die Welt der Quanten, sagt der Neurophysiologe Wolf Singer.

Die Presse: Der rasante technologische Fortschritt erweckt oft den Eindruck, dass die verbliebenen Rätsel des Universums kurz vor ihrer Lösung stünden – man denke nur an die Jubelmeldungen zur künstlichen Intelligenz (KI) oder modernen DNA-Sequenziermethoden. Auch in der Hirnforschung hieß es noch vor wenigen Jahren, wenn einmal die Gesamtheit aller Verbindungen (das „Konnektom“) bekannt sei, wäre das Gehirn verstanden. Wie steht es darum?

Wolf Singer: Wir dachten vor etwa 15 Jahren – zumindest ging es mir so –, dass wir schon viel näher an diesem Ziel seien, als wir es uns heute eingestehen müssen. Zwar wissen wir inzwischen enorm viel über das Konnektom, über die Verschaltungen und die Bausteine des Gehirns, die Nerven- und Stützzellen. Aber das allein nutzt uns gar nichts.

Wieso nicht?

Man muss die Dynamik verstehen, die daraus entsteht – dann wird's aber richtig kompliziert. Stellen Sie sich drei Pendel vor: Lässt man diese einzeln schwingen, kann man sie wunderbar beschreiben. Verbindet man sie aber mit einem Gummiband, dann entwickeln die Pendel durch ihre Wechselwirkungen eine ungeheuer komplexe Dynamik, die nahe ans Chaos heranreicht. Die ist mathematisch praktisch nicht mehr beschreibbar. Und jetzt stellen Sie sich das Ganze mit ein paar Millionen solcher gekoppelter Pendel vor! Unser Verdacht ist, dass es im Gehirn auf diese dynamische Weise zugeht.

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