Spectrum

Ein Kärntner Zustand

Vogelschwarz und rostiges Rot: Rosi war kein Herrgottskind.

Weiße Leinwände sind die tödlichsten. Weiße Leinwände sind so tödlich wie ein weißes Loch, in das man fällt und nicht mehr hochkommt. Der Kärntner Zustand ist so eine weiße Leinwand, so ein weißes Loch, in das man fällt und nicht mehr hochkommt. Sie erlauben mir den ausschweifenden Vergleich, aber alles in diesem Loch ist weiß wie auch alles am Kärntner Zustand weiß ist, ohne Farbe ist. Alles ist weiß, und deshalb sind dieses Loch und dieses Weiß darin tödlich, und der Tod würde einem aus diesem Weiß sofort an die Gurgel springen, wenn man ihn ließe. Deshalb fahre ich mit Schwarz fort. Vogelschwarz, wie der Zweijährige einmal sagte, oder schwarz wie die Nacht.

Die Gegenüberstellung von Schwarz und Nacht war wie das Blut, das Rosi jeden Monat verlor. Das Blut, das nach Rost roch und wie Rost schmeckte. Jeden Monat rostete Rosis Körper von innen heraus, und wenn es ein, zwei Tage vor der Menstruation im Unterleib zu schmerzen begann, kaufte Rosi Damenbinden ein, immer die dicksten. Besonders unangenehm war ihr die Menstruation im Sommer, wenn sie in dünnen kurzen Hosen ging und sich die dicke Damenbinde unter der dünnen kurzen Hose abzeichnete und manchmal verrutschte, weil die dicke Damenbinde am Stoff nicht kleben blieb. Tampons durfte Rosi keine verwenden. Sie musste sich die dicksten Damenbinden in die Unterhose legen, um ihre Jungfräulichkeit nicht zu verlieren. Mit einem Tampon hätte sie diese verletzen können. Ihre Eltern waren da sehr streng, ihre Eltern waren überhaupt sehr strenge Menschen, ihre Eltern waren sehr gläubige Menschen, sehr katholische Menschen, und der Herrgott und der Herrgottswinkel waren lebenswichtig, und dieses Lebenswichtige wollten sie an Rosi und die anderen weitergeben. Rosi war nicht ihre einzige Tochter, Töchter mussten erzogen werden, fürs Leben, für die Ehe.

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