Digitalisierung

Traue keinem, der privat lebt!

Wie fühlt es sich an, mit sich allein zu sein?
Wie fühlt es sich an, mit sich allein zu sein? (c) REUTERS (David Mdzinarishvili)
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Früher gab es Anstandsdamen, heute überwachen wir uns gegenseitig per App. Diese Kontrolle unterhöhlt das Vertrauen – und beendet die kurze Ära einer Privatsphäre, die über fast die ganze Menschheitsgeschichte unbekannt war.

Oh, dieses viktorianische England! Selbst im toskanischen Blumenfeld ist die feine Lucy nur einen kurzen Moment mit dem nicht standesgemäßen George allein. Es reicht für einen zarten Kuss, dann treibt ihre Cousine die beiden auseinander, im bekannten und verfilmten Roman „Zimmer mit Aussicht“ von E. M. Forster. Charlotte heißt die Sittenstrenge, die als obligate Anstandsdame im Reisetross für die Moral ihrer Schutzbefohlenen zu sorgen hat. Damals glaubte man, jungen Männern und Frauen nicht trauen zu können, ein unbewachtes Aufeinandertreffen galt es zu vermeiden. Aber man lachte über „Charleys Tante“: In der beliebten Travestie springt ein verkleideter Lord als Wächterin der Moral ein, weil die dafür designierte Tante aus Brasilien nicht rechtzeitig aufkreuzt. Meist aber erfüllte die Mutter diese Funktion, ersatzweise eine verwandte Witwe. „Chaperones“ nannte man sie auf Englisch – so hieß im Mittelalter die kleine Kapuze, die man Jagdfalken über den Kopf zog, um ihnen jede Lust am Fortfliegen zu nehmen.

Alles längst passé, apartes Dekor für Kostümfilme? Von wegen. Heute überwachen viele Eltern ihre Kinder bis an die Grenze des Erwachsenseins per App – und damit weit effektiver. Programme wie „Teen Safety“, „My Mobile Watchdog“ oder „Life360“ finden reißenden Absatz. Sie erlauben per Smartphone-Tracking eine umfassende Kontrolle des Nachwuchses. Wo er sich aufhält, was er sich ansieht, mit wem er Kontakt pflegt, was er schreibt – alles wird per digitalem Durchschlag übermittelt. Unerwünschter Umgang lässt sich blockieren.

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