Gegengift

Draußen vor der Löwelstraße hört man die ersten Axtschläge

Welche alten Stücke passen mit etwas Adaption zu österreichischen Parteien? „Kirschgarten“, „Faust“ und „Revisor“ wären den Versuch wert.

Die Überschreibung ist wieder einmal en vogue in den besten Wiener Theatern. Sie machen das so: Ein altes Stück ist nur der Anlass für allerlei Neues. Da geht man zum Beispiel in den „Reigen“ und erwartet, Arthur Schnitzlers süßen Wiener Mädeln zu begegnen. Stattdessen aber trifft man Tinder-Bräute und Bodybuilder, die vom vielen Viagra oder auch bloß vom Neusprech Kopfweh haben. Exzessiv hat Elfriede Jelinek diese Technik in „Schwarzwasser“ angewandt. Die Nobelpreisträgerin nahm sich „Die Bakchen“ des Euripides als Vorlage. Aber zu sehen war kein strafender Gott, sondern man hörte vor allem Verweise auf die Ex-Spitze der FPÖ, die 2019 am Ibiza-Skandal zerbrach, und ein paar Andeutungen über die Göttlichkeit des inzwischen erneut zum Bundeskanzler aufgestiegenen heiligen Sebastian.

Wir Musenfreunde im „Club Thalia“ des Gegengifts mögen an sich solch bizarre Novitäten. Da fühlen wir uns gleich, ohne viel nachlesen zu müssen, akademisch, ja geradezu intellektuell. Aber im Fall der besonders trüben Moralität in „Schwarzwasser“ kamen uns auch dunkle Gedanken: Warum räumen immer nur die Blauen und die Türkisen den dramatischen Ruhm ab, während die Roten, Grünen und Pinken auf der Bühne nicht einmal ignoriert werden?
Diese Kolumne soll also eine Anregung für ambitionierte Jungregisseure sein, auch einmal Neues in alten Stücken für vernachlässigte Fraktionen zu wagen. Und nein, der „Reigen“ eignet sich noch nicht für die Koalition von ÖVP und Grünen. Die befinden sich bisher im Honeymoon, sie sind noch nicht ganz reif fürs Pantscherl.

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