Gastkommentar

Diese Rechnung geht sich nicht aus

Die Verhandlungen um den mehrjährigen Finanzrahmen der EU sind ein Meisterstück der Kompromissfindung.

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Der gelernte Österreicher erkennt den Kompromiss, bevor es ein Problem gibt, erklärte einst sinngemäß der ehemalige Vizekanzler Erhard Busek. Und die aktuellen Verhandlungen um den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen der EU sind so etwas wie das Meisterstück der Kompromissfindung. Denn wenn es um das liebe Geld geht, hört sich die Freundschaft bekanntlich auf. Dazu kommen der britische EU-Austritt und dringend notwendige Schwerpunktsetzungen vom Green Deal bis zur Digitalisierung, von der Außen- und Sicherheitspolitik bis zur sozialen Dimension, die die Finanzfrage dieses Mal noch um einiges brisanter machen.

Die Ausgangslage ist bekannt: Niemand möchte allzu gern mehr einzahlen bzw. weniger an Förderungen erhalten; bevorzugt werden Kürzungen bei jenen Ausgaben, die vor allem andere Mitgliedsländer betreffen. Wenn die EU jedoch mehr leisten soll und gleichzeitig einer der größten Nettozahler soeben ausgetreten ist, geht sich diese Rechnung nicht aus. Gerade kleinere Länder wie Österreich sind trotzdem gut beraten, sich in den Finanzverhandlungen auf die Beine zu stellen, um nicht unterzugehen. Aber um beides unter einen Hut zu bringen, sollten sie auch mit eigenen Vorschlägen alternative Wege aufzeigen. Gemeinsame europäische Anleihen, mit denen notwendige Zukunftsinvestitionen gefördert werden könnten, wären etwa eine solche Möglichkeit, steuerzahlerschonend weitere Geldmittel für das EU-Budget zu lukrieren. Damit könnte auch das große Ganze im Auge behalten werden, denn insbesondere die Kleinen sind die Nettogewinner der Europäischen Integration, die von gemeinsamen Institutionen und einer einigen Union in hohem Maß profitieren.

Die Entwicklung des politischen Wording in dieser Frage ist ein guter Indikator dafür, in welche Richtung sich die Beratungen bewegen und ob ein Kompromiss in Reichweite ist. Die eigene Sprache tendiert dazu, sich der Verhandlungsdynamik strategisch anzupassen. Zwischen dem strikten österreichischen Auftreten gegen eine Erhöhung des eigenen Beitrags, einer Vetodrohung bei einem EU-Budget, das höher ist als ein Prozent der EU-Wirtschaftsleistung, und der aktuellen Aussage, dass wir nicht wollen, dass unser Beitrag ins Unermessliche steigt, liegt kein langer Zeitraum. Die Abstimmung mit anderen EU-Nettozahlern ist daher wichtig, aber letztlich zählt die normative Kraft des Faktischen. Wenn die deutsche Kanzlerin deutlich für einen Kompromiss plädiert und nun die Notwendigkeit einer neuen Ausgabenstruktur des EU-Haushalts betont, dann ist in ersten Zügen absehbar, was am Ende des Jahres, unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft, dabei herauskommen wird.

Modernes Budget ist möglich

Das budgetäre Zahlenwerk spiegelt die tatsächlichen Möglichkeiten wider, sich den großen aktuellen Themen auch sinnvoll widmen zu können. Entscheidend ist vor allem die Frage, wie das nächste mehrjährige EU-Budget aussehen muss, um den Ansprüchen, die wir an die EU haben, nur ansatzweise gerecht zu werden? Entscheidend wird auch sein, von österreichischer Seite zu erklären, wofür wir gegebenenfalls einen höheren Beitrag leisten, welche Prioritäten gesetzt werden und warum diese einen Mehrwert für uns bringen. Auch wenn es schlussendlich mehr Geld kosten mag: Die Darstellung eines modernen EU-Budgets ist möglich, vor allem, wenn vermittelt wird, dass dadurch dringende Anliegen der Menschen angegangen werden können. Die EU ist nun einmal ein großer Kompromiss, und damit kennen wir uns eigentlich aus.

Paul Schmidt (*1975) ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik. Zuvor war er für die Oesterreichische Nationalbank in Brüssel tätig.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2020)

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