Wort der Woche

Domestizierung von Lachs

Norwegische Forscher haben herausgefunden, dass die Domestizierung von Lachs unliebsame Folgen für das Überleben von Wildlachsen haben könnte.

Unter den rund drei Dutzend Tierarten, die der Mensch domestiziert hat, befinden sich auch einige Fischarten. Die erste war der Karpfen, der in China und später unabhängig davon an der mittleren Donau von den alten Römern in Kultur genommen und weitergezüchtet wurde – Hinweise dafür wurden auch in Carnuntum gefunden. Vor ungefähr 1200 Jahren folgte in China die Domestizierung von Goldfischen, von denen es heute Hunderte Varietäten gibt. Und vor rund 50 Jahren kam der Atlantische Lachs dazu: Bis dahin ein Luxusgericht, sind Lachsfilets aus Fischzuchtanlagen (Aquakultur) heute ein erschwinglicher Genuss. Seither wurden überdies einige weitere Fischarten in Kultur genommen, etwa Doraden oder Barsche.

Durch die Domestizierung wird die genetische Entwicklung der Arten von der natürlichen Selektion abgekoppelt und dem Willen des Menschen unterworfen: Erwünschte Eigenschaften werden durch Zuchtwahl verstärkt, andere Eigenschaften, die nicht mehr so überlebensnotwendig sind, bilden sich zurück. Typischerweise wachsen domestizierte Arten deutlich rascher, werden größer und sind zahmer, also für den Menschen leichter handhabbar.

Norwegische Biologen um Monica Solberg haben sich den Prozess der Domestizierung der Lachse nun im Detail angeschaut. Trotz der vergleichsweise kurzen Kulturdauer gab es bereits deutliche Veränderungen: Zuchtlachse wachsen um ein Mehrfaches schneller als ihre wilden Vorfahren, die Fische weisen aber unter natürlichen Lebensbedingungen niedrigere Überlebensraten auf.

Der genaue Grund dafür wurde nun in aufwendigen Versuchen geklärt: Es liegt nicht etwa daran, dass die Zuchtlachse in freier Wildbahn zu wenig Futter finden würden – sondern daran, dass sie gegenüber Fressfeinden weniger aufmerksam und wehrhaft sind (Scientific Reports, 6. 2.). Das hängt wiederum direkt mit dem stärkeren Wachstum zusammen: Die domestizierten Lachse sind bei der Futtersuche deutlich risikobereiter und stresstoleranter. Ihr Fluchtverhalten ist zurückgebildet, sie haben mehr Zeit und Muße zum Fressen.

Diese Forschungsergebnisse sind nicht nur von evolutionstheoretischem Interesse: Da alljährlich Millionen von Zuchtlachsen aus Aquakulturen entkommen und sich mit ihren wilden Artgenossen paaren, besteht die Gefahr, dass sich die neu erworbenen genetischen Eigenschaften auf die Populationen im Atlantik ausbreiten – was deren Überlebensfähigkeit stark beeinträchtigen würde.

Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Wissenschaftskommunikator am AIT.

meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2020)

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