Mittelmeer

Das Ende von "Sophia": EU einigt sich auf neue Marinemission

Archivbild vom Außenministerrat vor einem Monat in Brüssel - von links: Schallenberg, Asselborn (Luxemburg), Linde (Schweden) und Di Maio (Italien).
Archivbild vom Außenministerrat vor einem Monat in Brüssel - von links: Schallenberg, Asselborn (Luxemburg), Linde (Schweden) und Di Maio (Italien).APA/AFP/JOHN THYS
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Die EU will das Waffenembargo gegen Libyen künftig mit einer neuen Marinemission überwachen. Österreich stimmt dem Schiffseinsatz zu und zieht seine Vetodrohung zurück.

Die Außenminister der EU-Staaten haben am Montag eine Einigung über die Neuaufnahme einer Mittelmeermission vor Libyens Küste erzielt. Das verkündete der deutsche Außenminister Heiko Maas nach Abschluss der Beratungen in Brüssel. Die neue Mission wird nicht mehr "Sophia" heißen, ihr Zweck wird die Bekämpfung des Waffenschmuggels nach Libyen sein. Sie wird auch Schiffe umfassen; die ursprüngliche Vetodrohung von Österreichs Regierung hatte sich schon vor Beginn des Ratstreffens wesentlich abgeschwächt, als Außenminister Alexander Schallenberg den Schiffseinsatz für möglich erklärte, soferne das zu keiner Verstärkung der irregulären Migration in die EU führt.

Maas betonte, die Ausstattung der neuen EU-Mission mit Schiffen sei notwendig, um ein komplettes Lagebild über Waffenlieferungen nach Libyen zu erhalten. Die Schiffe würden nun aber im östlichen Mittelmeer stationiert, wo auch die Routen für den Waffenschmuggel verliefen.

Die Außenminister werden diesen Beschluss erst bei ihrem nächsten Treffen formalisieren, denn einige von ihnen müssen zuvor noch ihre nationalen Parlamente damit befassen. Wie "Die Presse" aus Diplomatenkreisen erfuhr, werde dieser Beschluss auch eine Klausel enthalten, derzufolge nach der Kommandant der Mission den Einsatz von Schiffen zu überdenken habe, wenn sich nachweisen lasse, dass sie zu einer verstärkten Abfahrt von Migrantenbooten aus Libyen führe. De facto konnte dieser sogenannte Pull-Faktor nie nachgewiesen werden, auch wenn einige Regierungen - allen voran die österreichische - sie stets ins Treffen führten.

"Es gibt einen Grundkonsens, dass wir jetzt eine militärische Mission wollen und keine humanitäre Mission, und diese hat den Fokus Waffenembargo", so Schallenberg. Der Fokus liege zum ersten Mal auf der Luftraumüberwachung, sagte der Minister nach einer "lange und schwierige Debatte mit mehreren Unterbrechungen". Die Mission sollte bald starten können, an dem Mandat für die neue Mission werde nun intensiv gearbeitet werden.

Kritik aus Deutschland an Österreichs Veto

Österreichs Vetodrohung hatte auch für Kritik der anderen EU-Staaten gesorgt - besonders aus Deutschland und Luxemburg. Es gehe in Libyen "nicht nur um Migrationsfragen", sondern "auch um die Sicherheit Europa", sagte der deutsche Außenminister. Alle EU-Mitglieder müssten sich "bewusst sein, dass man Migrationsprobleme auch nur lösen kann, wenn Libyen kein failed state bleibt". Wichtig sei, "dass wir überwachen können, ob über Land, über Luft oder über Wasser das Embargo gebrochen wird", sagte er. "Und dazu brauchen wir unbedingt einen Beitrag der Europäischen Union." Maas appellierte an Österreich, Fortschritte nicht wegen migrationspolitischer Bedenken zu blockieren.

Er könne sich nicht vorstellen, dass die EU das Waffenembargo nicht überwacht, weil ihre Schiffe "einige hundert Menschen retten" müssten, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Wichtig sei die Mission auch, um festzustellen, welche ausländischen Staaten Truppen nach Libyen brächten, um die dortigen Konfliktparteien zu unterstützen.

Auch der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas sowie die grüne Delegationsleiterin im EU-Parlament Monika Vana gingen am Montag auf Distanz zum österreichischen Veto gegen die EU-Mittelmeermission. "Ich finde, dass man nicht den Kampf gegen Schlepper gegen die Rettung von Menschen ausspielen darf", sagte Karas vor Journalisten in Wien. Vana ortete in der Frage der Mission einen "großen Dissens mit dem Koalitionspartner". Die Grünen stünden "selbstverständlich" für die Weiterführung von "Sophia", bekräftigte sie frühere Aussagen von Sozialminister Rudi Anschober.

Die "Sophia"-Mission war 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Kampf gegen Schlepperbanden beschlossen worden. Ihre Schiffe retteten knapp 50.000 Flüchtlinge und brachten diese nach Italien. Da sich die EU-Staaten aber nicht auf eine Verteilung der Migranten einigen konnten, verweigerte Rom die weitere Einfahrt. Weil für den Konflikt "Sophia" hat deshalb seit Anfang 2019 keine Schiffe mehr im Einsatz.

Lage in Libyen weiterhin unübersichtlich

In Libyen war 2011 nach Sturz und Tötung des Machthabers Muammar al-Gaddafi ein Bürgerkrieg ausgebrochen. Bei einem Gipfel vor vier Wochen in Berlin hatten sich 16 Staaten und Organisationen darauf verständigt, die Einmischung von außen in den seit neun Jahren anhaltenden Konflikt zu beenden. Die Regierung von Ministerpräsident Fayez al-Sarraj ist international anerkannt, hält aber nur kleine Gebiete um die Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes. Gegen ihn kämpft General Khalifa Haftar mit Verbündeten im Osten, die weite Teile des ölreichen Landes beherrschen. Libyen ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten auf dem Weg nach Europa.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow machte deutlich, dass die Lage in Libyen sich seiner Meinung nach seit der Berliner Konferenz nicht verändert hat. Zu sagen, die Lage sei "wieder außer Kontrolle geraten", sei nicht ganz richtig, sagte er der italienischen Zeitung "La Stampa" nach Angaben des russischen Außenministeriums. "Es wäre richtiger zu sagen, dass sich die Situation nicht wesentlich geändert hat."

(go/Ag.)

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