Es musste ja kommen, das Album zur Erderwärmung: „Miss Anthropocene“ von der eklektischen Kanadierin Grimes ist weniger plakativ, als zu befürchten war.
„This is the sound of the end of the world“, haucht Grimes zu erdschweren Beats. „Before the Fever“ heißt der Track, „Miss Anthropocene“ das Album – ist das nicht zum Überkochen spekulativ?
Gemach. Erstens ist das Wortspiel (Misanthrop + Anthropozän) des Titels gar nicht so blöd. Und zweitens: Wenn eine Kunstform befugt und befähigt ist, auf den Wellen des Zeitgeists zu surfen, auch wenn dieser in Richtung Weltuntergang weht, dann die Popmusik. Siehe Dancing/Fighting in the Streets, Eiszeit/Heißzeit, Tanz auf dem Vulkan und so weiter.
So gesehen ist es seltsam, dass sich bisher keine der Pop-Regentinnen explizit der Befindlichkeit des Klimas – bzw. dessen Auswirkungen auf unsere Befindlichkeit – angenommen hat. Früher hätte das Madonna getan, oder zumindest Björk. Nun tut es endlich Grimes, die ja in vielem wirkt wie Björk, als diese noch jung, aufgeregt und nicht völlig der Esoterik verfallen war. Grimes, mit bürgerlichem Namen Claire Boucher, geboren 1988 in Vancouver, hat Neurologie und russische Literatur studiert, ist mit dem Elektroauto- und Raumfahrtunternehmer Elon Musk zusammen und ähnlich flamboyant wie er, sie steht offensiv zu ihrem Lispeln und ihrer Liebe zu DC-Comics.
Plädoyer für brandneue Götter
So kennt sie auch den Superschurken Darkseid, Herrscher des Planeten Apokolips, einer der unguten „New Gods“ der gleichnamigen Comic-Serie. Und so heißt eines ihrer neuen Stücke „Darkseid“ und eines „New Gods“. Letzteres hat im Grunde die Anmutung einer New-Age-Ballade (mit gravitätischem Klavier und extraviel Hall auf der Stimme), klingt also ziemlich schrecklich, Grimes singt dazu mit Heliumstimme Zeilen wie „I pray, but the world burns“; dann fordert sie „brand new gods“.