Serie

Schaut her! Ein Papst! (Und laszive Nonnen)

John Malkovich spielt – etwas zu manieriert – einen der Päpste der zweiten Staffel.
John Malkovich spielt – etwas zu manieriert – einen der Päpste der zweiten Staffel. (c) Gianni Fiorito
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Paolo Sorrentino hat an Päpsten einen Narren gefressen, sie machen sich auch wirklich grandios auf der Leinwand bzw. dem Bildschirm. Allein die roten Schuhe! Viel mehr hat er aber in „The New Pope“ nicht zu sagen.

Man kennt das – etwa aus „House of Cards“. Die Netflix-Serie begann als raffiniertes Spiel um Macht und Einfluss, fein säuberlich wurden die Kontrahenten in Position gebracht, sie spannen ihre Intrigen, manipulierten, korrumpierten. Und dann? Dann schubste Francis Underwood in der zweiten Staffel eine ihm gefährlich werdende Aufdeckerjournalistin einfach vor die U-Bahn. Eine simple Lösung. Eine unwahrscheinliche Lösung. Und sie ließ einen unbefriedigt zurück: Warum die ganze Raffinesse, wenn man den Gegner auch einfach abmurksen kann? Warum wird in der zweiten Staffel so oft ruiniert, was in der ersten mühsam aufgebaut worden ist?

So ähnlich geht es dem Zuschauer auch bei „The New Pope“, der lang erwarteten Fortsetzung des opulenten und gewitzten Vatikan-Spektakels von Paolo Sorrentino. Gleich am Beginn wird, kleiner Spoiler, ein neuer Papst gewählt, der aber doch nicht so willfährig die Wünsche Kardinal Voiellos erfüllt wie gedacht, woraufhin er einem Giftanschlag zum Opfer fällt. Damit ist das Problem erledigt, bevor überhaupt Zeit war, die in dieser Folge aufgeworfene Frage zu behandeln: Was passiert, wenn die Kirche sich wirklich den Armen und Beladenen öffnet?

Wie von Michelangelo gemeißelt

Wir sind also beim Mord angelangt. Der natürlich blendend inszeniert ist, wie so ziemlich alles von Sorrentino. Der Italiener ist ein Meister der opulenten Bilder, Kardinalsrot trifft da auf Frühlingsgrün, die goldenen Kreuze gleißen, die Sixtinische Kapelle erstrahlt in ihrer Pracht, und gleich zu Beginn wird der Zuschauer mit einer berückend provokanten Sequenz auf die Geschichte über die verborgenen und verbotenen Seiten des Vatikan eingeschworen. Der schöne junge Papst der vorigen Staffel (Jude Law) ist ins Koma gefallen, nur mit einem Lendenschurz bekleidet liegt er da, erinnert dabei an den Jesus aus Michelangelos Pietà und wird von einer jungen, feschen Nonne hingebungsvoll gewaschen. Wie ein Liebesakt mutet das an, nur bleibt er offenbar unvollendet, denn anschließend wird die Hübsche sich selbst zum Höhepunkt bringen. Das wird natürlich nur angedeutet: Man sieht einen in Ekstase ausgestreckten Arm, dann harrt die Kamera auf dem Gesicht der Nonne aus, sie schaut verzückt wie die Maria Magdalena von Artemisia Gentileschi.

Die Alten Meister sind Sorrentinos Vorbild. Er kopiert sie mit großem Eifer, er schwelgt in Farben, Kompositionen, edlen Kulissen, großen Gesten. Das ist sehenswert, egal ob da ein altes Ehepaar mit Sauerstoffmasken vor dem Grabmal seines Sohnes ausharrt oder in einer Traumsequenz Jude Law nur mit einer weißen Speedo bekleidet am Strand entlangläuft. Doch leider fällt Sorrentino in der zweiten Staffel außer hinreißenden Bildern nicht sehr viel ein. Die Strukturen des Vatikans? Egal. Glaubensfragen? Nebensache. Die Charaktere der beiden neu eingeführten Päpste werden nur mehr grob skizziert: Der erste wählt den Namen Franziskus, will die Kirche auf Armut einschwören und öffnet die Tore des Vatikans den Flüchtlingen. Dass er sich mit einer Leibgarde von martialischen Ordensbrüdern umgibt, will nicht dazu passen und ist wohl vor allem Sorrentinos Spaß an coolen Auftritten geschuldet. Der zweite, von John Malkovich gespielt, bekommt immerhin eine Geschichte. Er trägt eine schwere Bürde. Sein Zwillingsbruder ist als Kind einem Unfall zum Opfer gefallen, die Eltern machen ihn dafür verantwortlich, kein Wort haben sie mit ihm seither gewechselt.

Wie am Victoria's-Secret-Laufsteg

Es ist eine herzzerreißende Geschichte, die uns aber nicht das Herz zerreißen will, dafür ist sie zu manieriert geschildert. Wie überhaupt der Manierismus in der zweiten Staffel überhandnimmt. Was in „The Young Pope“ noch absurd und komisch war, wirkt hier gekünstelt und allzu gewollt, ob nun die Pressesprecherin des Vatikans zu Malkovichs Papst sagt, er erinnere sie an John Malkovich, oder Jude Law den Kardinälen als freundlicher Geist erscheint.

Selten gelingen dann doch zarte Momente: Etwa wenn ein Kardinal, nur mit der Pyjamahose bekleidet, schüchtern an die Tapetentür eines anderen klopft, in der Hoffnung auf Liebe, vielleicht nur auf Sex. Doch meistens ist das Getöse zu groß, der Wunsch nach Bombast zu stark. Dass übrigens in jeder Folge junge Nonnen, die aussehen, als hätte Sorrentino sie vom Victoria's-Secret-Laufsteg abgeworben, minutenlang laszive Tänze vorführen müssen, ist weniger altmeisterlich. Altvaterisch, das schon eher.

„The New Pope“: Ab 20. Februar auf Sky, neun Folgen à je eine Stunde, mit John Malkovich, Jude Law, Silvio Orlando. Drehbuch: Paolo Sorrentino, Umberto Contarello und Stefano Bises.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.02.2020)

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