Das Bundesheer als zweite Wahl

Der Run aufs Bundesheer kann als Alarmsignal für den Arbeitsmarkt gesehen werden oder aber als willkommenes Argument für eine Reform.

Natürlich ist es eigenartig, wenn das Bundesheer, das in Österreich – hinter oder vor den Bundesbahnen? – zu den am wenigsten angesehenen öffentlichen Einrichtungen zählt, plötzlich einen Sympathieschub erlebt. Wenn der Grund für die Verdoppelung der Zahl der Freiwilligen an der nach wie vor prekären Lage auf dem Arbeitsmarkt liegt, kann das durchaus nachdenklich stimmen. Die Herren und die wenigen Damen beim Heer muss das dennoch wenig kümmern und nicht davon abhalten, das Beste daraus zu machen. Auch den Verteidigungsminister nicht.

Norbert Darabos scheint allerdings an einem gewissen Realitätsverlust zu leiden, wenn er glaubt, dass das Heer bei den jungen Leuten eben „zieht“ und auch sonst so viele Freunde hat. Waren die monatelangen Dauermeldungen von schlechter Ausrüstung, kaputten Kasernen, verkrusteten Strukturen und unterforderten, aber nicht vermittelbaren Mitarbeitern reine Fiktion? Oder bloß eine Kampagne des bösartigen Koalitionspartners? Darabos braucht allerdings nicht einmal lange darüber nachzudenken und vor allem keine neue Kommission einzusetzen. Die Konzepte liegen ohnehin seit Jahren auf dem Tisch. Er muss sie nur umsetzen. Das machte Darabos schlagartig zum effizientesten Verteidigungsminister seit Jahrzehnten. Die Überraschung darüber wäre wohl genauso groß wie über ein schlagartig zum Sympathieträger mutiertes Bundesheer.


claudia.dannhauser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28. Juni 2010)

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